Zuflucht im Teehaus
trinken und mochi- Plätzchenzu essen.
»Was für einen hübschen Arbeitsplatz Sie hier haben! Ich kann’s gar nicht glauben, wie günstig Sie mir die Schriftrolle verkauft haben. Ich werde allen meinen Freundinnen davon erzählen. Meinen Sie nicht, daß Mrs. Mihori auch Interesse haben könnte?«
»Mmmm. Wie gut kennen Sie sie eigentlich?« fragte ich. Wenn Lieutenant Hata der Sache schon nicht auf den Grund ging, dann würde ich es eben tun.
»Ich habe im Frauenclub ein paar Geschichten über sie gehört. Was würde Sie denn interessieren?« fragte Mrs. Kita lächelnd.
»Ich habe überlegt, woher sie stammt. Sie hat ein so sicheres Stilgefühl, daß ich mir dachte, sie kommt wahrscheinlich aus einer gutsituierten Familie.«
»Ja, sie ist eine Ideta. Die Idetas sind eine alte Samurai-Familie. Da sie so vielen Generationen von Grundbesitzern gedient hat, hat die Familie eine ganze Menge Geschenke angesammelt. Als ich einmal vor ein paar Jahren eine Führung durch die Tempelgebäude mitgemacht habe, hat jemand Mrs. Mihori gefragt, welche Dinge sie in die Ehe mitgebracht hat. Daraufhin hat sie gesagt, sie hätte lediglich eine Braut- tansu mitgebracht, wie sie alle Frauen haben. Das hat mich seinerzeit sehr überrascht«, sagte Mrs. Kita.
»Eine Braut -tansu !Haben Sie sie gesehen?« Hatte die tansu von der Insel Sado einmal ihr gehört und war dann in andere Hände gelangt?
»Ja, es war ein reich verziertes Sendai-Stück mit Metallbeschlägen in Schmetterlingsform.«
Ich erinnerte mich an die Kraniche und Schildkröten auf der Kommode von der Insel Sado, und meine Hoffnungen auf eine einfache Lösung des Problems zerschlugen sich. »Ach. Und wo sind all die anderen Sachen der Idetas?«
»In der Familienresidenz in Denen-Chofu. Das Haus und alles darin hat Nanas älterer Bruder geerbt.«
So funktionierte das mit der Vererbung von Immobilien. Mein Cousin würde das Haus seiner Eltern niemals verlassen, weil es sein Erbe war, aber meine Cousine mußte sich einen neuen Unterschlupf suchen.
»Ist er viel älter als sie?« Ich tat so, als wisse ich nichts von Nomu Idetas Tod.
»Ungefähr zwanzig Jahre, glaube ich. Er ist erst vor kurzem verschieden. Deshalb habe ich Mrs. Mihori einen Kondolenzbrief geschickt, aber sie hat noch nicht darauf geantwortet. Jetzt lebt nur noch ihre Schwester Haru, die sich die ganzen Jahre um den Bruder gekümmert hat. Sie ist nicht verheiratet.«
»Jetzt, wo Sie’s sagen, fällt mir wieder ein, daß ich den Nachruf in der Zeitung gesehen habe«, gestand ich. »Aber Mrs. Mihoris Namen habe ich darin nicht gelesen.«
»Nach der Heirat wird der Name der Frau aus dem Familienbuch gestrichen und in das ihres Mannes eingetragen«, sagte Mrs. Kita. »Wahrscheinlich hat der Reporter nicht weiter nachgeforscht.«
Anders als Mrs. Kita, die Klatsch über alles liebte. Mit einem strahlenden Lächeln sagte ich: »Nun, dann können ja jetzt endlich die Schwestern erben!«
»Aber nein.« Mrs. Kita winkte mit ihrer manikürten Hand ab. »Vergessen Sie nicht: Das Vermögen muß an einen männlichen Erben gehen. Ich glaube, es gibt da noch einen entfernten Neffen.«
Aber Kazuhito, der zweite Klostervorsteher und Neffe Nanas, war bereits von den Mihoris adoptiert worden. Er brauchte kein Geld mehr.
»Wenn der Neffe derjenige ist, an den ich denke, hat er schon eine ganze Menge Geld zu erwarten. Ich finde es nicht sonderlich gerecht, wenn er Nomu Idetas Haus und seine Antiquitäten bekommt. Was meinen Sie dazu?«
»Nun, er ist der Mann. Ich dachte, Sie wissen, wie das hier in Japan funktioniert. Schließlich haben Sie sich lange genug mit dem Land und seinen Sitten beschäftigt.«
Nein, mit Kulturgeschichte hatte ich mich nicht beschäftigt. Ich kannte mich aus mit japanischem Porzellan, mit Textilien und Papier – alles Dinge, die sich restaurieren und bewahren ließen, anders als das Leben der Menschen rund um mich herum.
An jenem Abend beobachtete ich das Gebet in Horin-ji vom Schutz der Zypressen aus. Zwei Reihen von Mönchen gingen mit gesenktem Kopf und andächtig gefalteten Händen in den Haupttempel, Akemis Vater voran. Ich hielt nach Wajin Ausschau, sah ihn aber nirgends.
Da die Tempeltüren ganz geöffnet waren, konnte ich beobachten, wie die Mönche auf den harten Kissen Platz nahmen und mit ihrer zazen- Meditationbegannen. Auch ich setzte mich an meinem schattigen Plätzchen im Schneidersitz hin; unwillkürlich straffte ich dabei den Rücken. Nach einer Woche
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