Zug um Zug
gekommenen isolationistischen Tendenzen wieder stärker werden könnten, zumal wenn die Auslandserfahrungen dieses Präsidenten gegen null tendieren, wie das ja bei Bush jr. der Fall war und wie es wohl auch für den texanischen Gouverneur Perry gilt.
Schmidt: Es hat in zweieinhalb Jahrhunderten amerikanischer Geschichte drei außenpolitische Tendenzen gegeben, die zum Teil nebeneinanderher liefen und zum Teil sich gegenseitig ablösten: erstens Isolationismus (Stichwort Monroe-Doktrin), zweitens Internationalismus (Stichworte Wilson, Völkerbund, Vereinte Nationen und viele andere internationale Einrichtungen wie IMF oder FAO) und drittens Imperialismus, zum Beispiel Teddy Roosevelt –
Steinbrück: Der im Spanisch-Amerikanischen Krieg eine eigene Kavallerieeinheit gründete, mit der er in Kuba einritt –
Schmidt: Ja, und ein paar Jahre später bekam er den Friedensnobelpreis. Also, diese drei Tendenzen hat es immer gegeben, und das wird auch so bleiben. Ich hätte nichts dagegen, wenn die imperialistische Tendenz für einige Generationen etwas in den Hintergrund treten würde. Ich muss Ihnen aber auch sagen, dass ich keine Angst habe vor einem amerikanischen Isolationismus. Gestärkt sehen möchte ich hingegen den amerikanischen Internationalismus, wie er sich zum Beispiel niedergeschlagen hat im Europäischen Wiederaufbauprogramm, genannt Marshallplan, nach dem Zweiten Weltkrieg. Aber man wird als Europäer wenig Einfluss auf diese Entwicklung haben. Man muss gelassen abwarten, wie die Amerikaner ihre eigenen Geschicke gestalten.
Steinbrück: Ich hätte zu Ihrem Amerika-Besuch noch eine private Frage am Rande: Mussten Sie in New York auf der Straße rauchen?
Schmidt: Nein, ich habe im Hotelzimmer geraucht.
Steinbrück: Ich frage das, weil ich gehört habe, dass Sie neulich in der Bahn zwischen Hamburg und Berlin geraucht haben und der Schaffner zu einem Ihrer Sicherheitsbeamten ging und sagte: Würden Sie bitte Herrn Schmidt sagen, dass hier das Rauchen verboten ist. Und daraufhin soll der Sicherheitsbeamte zu dem Schaffner gesagt haben: Sagen Sie ihm das doch selber!
Schmidt: Ist schon etwas länger her, stimmt aber. Es war sogar noch schlimmer. Der Schaffner ist gekommen, wollte mir das Rauchen verbieten und hat mir ein Strafmandat ausgestellt. Ich habe das Strafmandat bezahlt, und danach habe ich Herrn Mehdorn einen Brief geschrieben und ihn gebeten, durch seine Rechtsabteilung doch einmal prüfen zu lassen, ob die Deutsche Bahn berechtigt ist, wie ein Gericht Strafen zu verhängen. Er hat meiner Frau einen Blumenstrauß geschickt, aber die Antwort ist er mir schuldig geblieben.
Steinbrück: Stimmt es denn, dass Sie auch auf dem Capitol Hill in Washington geraucht haben?
Schmidt: Ja, das stimmt.
Steinbrück: Dann sind Sie wahrscheinlich der einzige Deutsche, dem man das hat durchgehen lassen.
Schmidt: Ein bisschen Ansehen hatte ich in Amerika. Aber jüngst in Kanada habe ich im Hotel 150 Dollar extra bezahlt dafür, dass das Hotelzimmer, nachdem es von dem Raucher Schmidt benutzt worden war, grundgereinigt werden musste. Das wurde mir vom Hotel im Vorwege in Rechnung gestellt.
Steinbrück: Dasselbe habe ich heute in meinem Hamburger Hotel auch gelesen. Es hätte 60 Euro gekostet, wenn ich da geraucht hätte.
Schmidt: 60 Euro? Ist billiger als 150 Dollar! Nein, im Ernst, das ist eine Hysterie, die sich von Amerika aus über die halbe Welt verbreitet hat. Das wird aber genauso zu Ende gehen wie die Prohibition. Das dauert zwanzig Jahre, und dann darf man wieder Whisky trinken.
Steinbrück: Wie ist es mit dem Rauchen in China? Da waren Sie im letzten Herbst ja auch –
Schmidt: Das hatte ich vor, aber wegen Loki habe ich die Reise kurzfristig abgesagt. China steht für kommendes Jahr auf dem Programm.
Steinbrück: Warum tun Sie sich das an? Warum reisen Sie noch so viel in Ihrem Alter? Ist es wirklich ein anderes oder neues Bild, das Sie gewinnen, wenn Sie nach China fliegen und dort mit offiziellen Vertretern oder auch Experten sprechen?
Schmidt: Ja, es stimmt schon, dass mich das Reisen mit zunehmendem Alter anstrengt, und aus medizinischen Gründen habe ich meine Reiseaktivitäten in den vergangenen Jahren außerordentlich eingeschränkt. Aber die Neugierde ist nach wie vor ungebrochen: Wenn ich könnte, würde ich viel mehr reisen, als ich es tue. Aber Ihre Frage erstaunt mich ein wenig und veranlasst mich zu der
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