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Zug um Zug

Zug um Zug

Titel: Zug um Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt / Peer Steinbrück
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Husni Mubarak immer viel gehalten –
    Schmidt:   Ich habe von seinem Chef sehr viel gehalten, von Anwar as-Sadat. Mubarak war der junge Mann von Sadat und zugleich Vizepräsident, und als solcher wurde er nach der Ermordung Sadats dessen Nachfolger. Ich habe ihn damals als einen vertrauenswürdigen Gesprächspartner empfunden, aber das ist nun über dreißig Jahre her, und ganz sicher hat sich Mubarak im Laufe dieser dreißig Jahre entwickelt und entfaltet. Immerhin habe ich beobachtet, dass er die Tradition des Friedens zwischen Ägypten und Israel aufrechterhalten hat, gegen erhebliche Widerstände sowohl innerhalb seines eigenen Landes als auch im arabischen Raum insgesamt. Was immer ihm heute vorgeworfen wird – das sollte man nicht vergessen und nicht unterschlagen. Ägypten war das einzige arabische Land, Jordanien ausgenommen, das Frieden mit Israel gewollt und gehalten hat.
    Steinbrück:   Ich habe Mubarak als Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen kennengelernt; er war als Teilnehmer einer Konferenz auf dem Venusberg bei Bonn untergebracht, das ist sieben oder acht Jahre her. Er hat mich damals durchaus beeindruckt in der Bandbreite seines politischen Überblicks und in seinem Urteil über die Situation im Nahen Osten. Was ich überhaupt nicht durchschaute, war die grenzenlose Bereicherungsmentalität, mit der sein Clan das Land aussaugte; hier war unter seiner Ägide im Laufe der Jahre eine Art Familienimperium aufgebaut worden. Diese Erfahrung stimmt mich sehr skeptisch, wie man künftig Autokraten begegnen soll. Die Art und Weise, wie bis vor kurzem Herr Mubarak und Herr Gaddafi und Herr Ali auf Augenhöhe behandelt wurden, sollte uns mit Blick auf die Zukunft jedenfalls zur Vorsicht veranlassen.
    Schmidt:   Ich stimme Ihnen zu. Die Nennung Gaddafis lässt mich übrigens erwähnen, dass ich sorgfältig vermieden habe, ihn jemals zu treffen.
    Steinbrück:   Ja, jedes Foto mit ihm wäre heute eine ziemliche Peinlichkeit, zumal wenn er in Uniform und behängt mit Orden neben einem steht und aussieht, als wäre er einem Film von Monty Python entsprungen. Aber wenn man sieht, wie er zum Beispiel in Paris empfangen wurde – bis hin zu der Konzession, dass er in seinem eigenen Zelt nächtigen konnte –, und dann den Aktionismus dagegenhält, mit dem Frankreich zur militärischen Intervention drängte, dann wird Politik nicht eben glaubwürdiger.
    Schmidt:   Libyen war immer eine Ausnahme. Mit der Mehrzahl der arabischen Staaten haben wir normale diplomatische und ökonomische Beziehungen unterhalten. Der von Ihnen eben verwendete Ausdruck »hofieren« ist im Falle Deutschlands nicht ganz angemessen. Denn kein deutscher Bundeskanzler hat den Staatschef Syriens hofiert, keiner hat den König von Saudi-Arabien hofiert, das Gleiche gilt für Marokko oder Algerien. Ich muss bekennen, dass ich eine persönliche Freundschaft gepflegt habe mit dem eben erwähnten Anwar as-Sadat, der für mich seiner Tapferkeit und seiner Entschlusskraft wegen ein Vorbild gewesen ist. Seinen Mut, die Hauptstadt des Feindes aus vier Kriegen, an denen er selber als Soldat und Offizier und General beteiligt war, zu besuchen, hat er übrigens mit dem Tod bezahlt.
    Steinbrück:   Durch die Lektüre der Biographie von Lawrence von Arabien – merkwürdigerweise von einem deutschen Historiker, Peter Thorau – und eine sehenswerte Ausstellung im Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum, ebenfalls über Lawrence von Arabien, ist mir erst kürzlich wieder deutlich geworden, in welchem Ausmaß der europäische Kolonialismus maßgeblich mitverantwortlich ist für die Spannungen im Nahen Osten. Das wird nicht erst in den Pariser Vorortkonferenzen 1919 deutlich – an denen dieser Thomas E. Lawrence übrigens im Gefolge von Winston Churchill teilgenommen hat –, sondern schon vorher mit Blick auf das Sykes-Picot-Abkommen oder die Balfour-Deklaration, die maßgeblich dazu beigetragen haben, jene Strukturen zu schaffen, die bis in die heutige Zeit für Zündstoff sorgen.
    Schmidt:   Zu diesen Strukturen gehören zum Beispiel auch die Grenzen vieler arabischer Staaten, die ohne jede Rücksicht auf Stammeszugehörigkeiten, auf religiöse Überzeugungen oder auf andere geschichtliche Traditionen, auch ohne Rücksicht auf geographische Tatsachen gezogen wurden. Es gibt im ganzen Nahen Osten, einschließlich Nordafrikas, eigentlich nur zwei Staaten, deren äußere Grenzen eine historische Legitimität haben, das sind

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