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Zug um Zug

Zug um Zug

Titel: Zug um Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt / Peer Steinbrück
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Steuerkasse finanziert werden. Sie sind in Wirklichkeit Dependancen der Parteizentralen. Dagegen ist nichts zu sagen, wohl aber ist zu fragen, ob die Finanzierung der politischen Parteien aus der Staatskasse Sinn macht.
    Wir haben in Amerika eine ähnliche Entwicklung, aber da spielt immer noch die private Finanzierung – übrigens ziemlich korrupt – eine riesenhafte Rolle. In Deutschland, muss ich sagen, wäre mein Ideal ein ganz anderes. Mein Ideal wäre: Erstens: Parteien leben von den Beiträgen ihrer Mitglieder –
    Steinbrück:   Dann sind sie kaputt.
    Schmidt:   Zweitens: Spenden sind nicht steuerlich absetzbar, und drittens, Spenden durch juristische Personen, also Vereine, Verbände oder Firmen, sind unzulässig.
    Steinbrück:   Dann können Sie keine Partei mehr finanzieren, Helmut.
    Schmidt:   Dann kann man keine Partei mehr finanzieren, dann muss jede Partei von ihren Parteibeiträgen, vor allem aber aus ihrer geistigen Substanz leben –
    Steinbrück:   Wie soll das denn funktionieren? Wenn sich Parteien ausschließlich –
    Schmidt:   Nicht plötzlich, nicht von heute auf morgen. Nun lassen Sie doch auch mir einmal eine Vision!
    Steinbrück:   Gut. Aber die Vorstellung, dass die Parteien sich ausschließlich aus ihren Mitgliederbeiträgen finanzieren sollen, führt zum Zusammenbruch des Parteiensystems, zumal die Parteien Mitglieder verlieren, und zwar nicht nur, weil sich die Leute empört davonmachen, sondern auch, weil die Demographie dazu beiträgt, dass ihnen die Mitglieder wegsterben. Ich kann nicht erkennen, dass eine reine Mitgliedsbeitragsfinanzierung funktioniert. Was die Machtposition der Parteiapparate, der Parteizentralen betrifft, kann ich Ihren Standpunkt nachvollziehen. Mir wäre es lieber, wenn die Fraktionen in den Parlamenten gegenüber den Parteizentralen aufgewertet werden würden, weil sie gewählte Vertreter sind.
    Schmidt:   Richtig. Nun sind allerdings die Fraktionen heutzutage finanziell auch ganz gut ausgestattet. Das erlaubt es ihnen auch, einen erheblichen, aber notwendigen Apparat an Hilfspersonal, Assistenten und dergleichen aufrechtzuerhalten.
    Steinbrück:   Auch Ihre Vorstellung, dass Parteispenden nicht steuerlich absetzbar sein sollten, stößt bei mir auf tiefe Skepsis. Dann sind die Parteien umso mehr von großen Spenden abhängig, mit denen natürlich ein Lobbyeinfluss verbunden ist, den ich für hochproblematisch halte. Im Übrigen würden davon die Parteien profitieren, die eine größere Affinität zu finanzkräftigen Spendern haben, und dazu gehört garantiert nicht die SPD, sondern dazu gehören CDU/CSU und – völlig unverhältnismäßig – die FDP. Ich bin jedes Mal aufs Neue geschockt, wenn ich die Summen der ausgewiesenen Spenden für die Parteien sehe, die ja ab einer Summe von 10000 Euro veröffentlichungspflichtig sind, und feststelle, dass diese kleine FDP, die im Augenblick bei fünf Prozent ums Überleben kämpft, mindestens im Jahr 2009 ein höheres Spendenaufkommen hatte als die gesamte SPD. Dann weiß ich, welche Abhängigkeiten wirtschaftlicher Art entstehen können, wenn es nicht eine Art Grundfinanzierung des Parteiensystems gibt.
    Schmidt:   Die großen Spender sind meistens juristische Personen, Aktiengesellschaften oder sogenannte Vereinigungen und Verbände. Deshalb war ja meine dritte Forderung, solche Spenden zu verbieten. Ich gebe zu, ich habe meine Bemerkungen eingeleitet mit den Worten, das sei mein Ideal, aber ich bleibe bei dem Ideal. Das Ideal war verwirklicht in den fünfziger Jahren, bis in die sechziger. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands wurde in den fünfziger Jahren fast ausschließlich finanziert durch Mitgliedsbeiträge.
    Steinbrück:   Ja, aber da schwankte die Mitgliederzahl auch zwischen 600000 und 800000. In Ihrer Zeit als Kanzler gelang dann sogar der Sprung über eine Million Mitglieder. Aber Parteien sind zunehmend auch zu Unternehmen mit gestiegenem Aufwand geworden, so wie Bundesligaklubs inzwischen auch Unternehmen sind – die müssen wirtschaften. Es ist mir ein Buch mit sieben Siegeln, wie denn schrittweise ein Weg zu Ihrem Ideal gefunden werden könnte.
    Schmidt:   Heutzutage richten sich die Parteizentralen bequem ein, jede hat ihre eigene Meinungsforschungsinstitution, jede beschäftigt ihre eigenen Werbefirmen. Früher haben wir Plakate selbst gemalt. Ich weiß noch, wie wir 1946 auf dem Fußboden knieten, Loki und ich, und Plakate gemalt haben für

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