Zug um Zug
Peer, dass Sie sich zu dieser Frage nicht äußern wollen.
Steinbrück: Ich will daran erinnern, wie das die letzten beiden Male gelaufen ist. Der Kanzlerkandidat 1998 wurde ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl von der SPD präsentiert – Gerd Schröder, und zwar nach seinem grandiosen Sieg in der niedersächsischen Landtagswahl im März 1998. Der Kanzlerkandidat der SPD für die Wahlen 2009 wurde mit Frank-Walter Steinmeier ein Jahr vorher präsentiert, auf der berühmten, etwas entwürdigenden Veranstaltung am Schwielowsee im September 2008. Wenn dieses Buch erscheint, sind es noch zwei Jahre bis zur nächsten Bundestagswahl.
Niemand kann verhindern, dass es dennoch bereits eine Debatte um die sozialdemokratische Kanzlerkandidatur gibt. Sie wird geführt – und zwar unabhängig vom Erscheinen dieses Buches. Von mir weiß man, dass ich mich Aufgaben stelle, wenn der Parteivorsitzende dies für richtig hält, die SPD dem zustimmt und ich selbst die Chance sehe, ihnen gewachsen zu sein. Nur: Bezogen auf die Bundestagswahl 2013 ist dafür die Zeit nicht reif. Mitten in der Legislaturperiode braucht die SPD keine Personaldebatten. Wir haben politische Probleme zu lösen, und wir müssen das Angebot entwickeln, mit dem wir Deutschland und Europa in einer schwierigen und krisengeprägten Zeit in eine gute Zukunft führen können. Wenn uns das gelingt – und dafür sollten wir uns anstrengen –, dann finden auch Personalfragen zum geeigneten Zeitpunkt überzeugende Antworten. Was mich betrifft: Ich werde mich dann zur Kanzlerkandidatur äußern, wenn mich der SPD-Vorsitzende danach fragen sollte. Ihm allein steht es zu, einen Vorschlag zu machen – und die Mitglieder der SPD sollten nach meinem Dafürhalten die Möglichkeit bekommen, über Person und Programm zu entscheiden. Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und ich haben kein Interesse daran, dass diese Personalfrage die wichtigen Sachfragen überlagert. Wir wollen nicht das Bild einer Selbstbeschäftigung liefern, sondern das einer kompetenten SPD, die über die besseren Lösungsansätze verfügt. In einer solchen Verabredung fühlen wir uns gut aufgehoben.
Schmidt: Im Prinzip kann ich diese Verabredung erstens gut verstehen, und zweitens halte ich sie durchaus für richtig. Es ist ja auch in anderen Demokratien, zum Beispiel in Frankreich oder zum Beispiel in Amerika, so, dass die Kandidatur des Spitzenmannes nicht Jahre im Voraus festgelegt wird. Das muss mich aber persönlich überhaupt nicht hindern, meine Meinung zu sagen. Und ob Ihnen das nun sonderlich in den Kram passt oder nicht, Peer, ich bin aus zwei Gründen der Auffassung, dass die SPD gut beraten wäre, Sie als den Kandidaten für das Amt des Bundeskanzlers zu nominieren.
Der eine Grund ist, dass Sie offensichtlich in besonderem Maße die Fähigkeit haben, das Vertrauen und damit die Stimmen von Menschen an sich zu binden, die sich nicht notwendigerweise für sonderlich links halten, die sich wohl aber eigentlich zur Mitte der Gesellschaft zählen. Ihre Reichweite übertrifft die Reichweite der Sozialdemokratischen Partei, wie sich in den letzten Wahlen zum Bundestag und zu verschiedenen Landtagen gezeigt hat. Der andere Grund ist, dass Sie bewiesen haben, dass Sie regieren können und dass Sie verwalten können. Das Regierenkönnen hat sich in vielerlei Stationen Ihres Lebens gezeigt, das Verwaltenkönnen desgleichen. Es hat sich insbesondere gezeigt in der souveränen Art, wie Sie als Finanzminister umgegangen sind mit den Konsequenzen der im Jahr 2007 ausgebrochenen, dann sich über die ganze Welt verbreitenden Finanzkrise. Deutschland ist da relativ gut durchgekommen, besser als manche andere, und das ist zu einem großen Teil – das weiß auch das Publikum – Ihr Verdienst. Deswegen steht meine Meinung heute schon fest, auch wenn die Führungsgremien der Sozialdemokratischen Partei noch ein weiteres Jahr Zeit brauchen.
Steinbrück: Ihr Urteil ehrt mich, Helmut. Mein Eindruck ist aber, dass die Republik heute keine schlaflosen Nächte hat über der Frage, wer Kanzlerkandidat der SPD wird. Sehr viel wichtiger wird es sein, dass die SPD Positionen, Lösungsangebote und Kompetenzen entwickelt, die sie für diese Wahl attraktiv machen, und dann wird zum richtigen Zeitpunkt zu entscheiden sein, wer die besten Chancen hat.
Schmidt: Ich verstehe Ihren Standpunkt, füge aber als Fußnote hinzu, dass man gar nicht sicher sein kann, dass es bis zur nächsten Wahl noch
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