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Zug um Zug

Zug um Zug

Titel: Zug um Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt / Peer Steinbrück
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Veranstaltungen meiner Partei in Hamburg-Neugraben und Hamburg-Hausbruch. Junge Leute haben Plakate geklebt und Pamphlete ausgetragen von Hausbriefkasten zu Hausbriefkasten. Heutzutage wird das alles gewerblich gemacht und wird bezahlt.
    Steinbrück:   Mir hat mal ein älteres Parteimitglied geschildert, worauf es beim Plakatekleben ankam. Er hat seine sechs- oder siebenjährige Tochter mitgenommen und sie sich auf die Schultern gepackt; die hat die Plakate so hoch kleben müssen, dass der politische Gegner sie nicht runterreißen konnte.
    Schmidt:   Fragen Sie mal Frau Loah, die hat 1957 und 1961 hier in Hamburg für mich Wahlkampf mitgemacht. Das war genau so, wie Sie es eben geschildert haben. Dabei bin ich beinah mal in eine Prügelei geraten. Die Kommunisten in Hamburg-Nord rissen unsere Plakate ab. Wir hörten davon und fuhren alle hin; Peter Schulz war dabei – ein ganz junger Mann damals, später wurde er Senator und Bürgermeister in Hamburg –, der hat mich daran gehindert, mit diesen Kommunisten eine Prügelei anzufangen. Ich war drauf und dran.
    Steinbrück:   Sind Sie damals eigentlich immer zwischen Hamburg und Bonn gependelt? Am Beginn einer Sitzungswoche nach Bonn und am Ende der Woche wieder zurück?
    Schmidt:   Richtig, und zwar meistens mit dem Auto, wegen des Kilometergeldes.
    Steinbrück:   Aber damals gab es doch diese Autobahnverbindungen noch nicht. Da müssen Sie sechs Stunden mindestens gefahren sein oder mehr –
    Schmidt:   An die sieben Stunden. Ich hatte einen Mercedes 170 D, der fuhr 100 km/h.
    Steinbrück:   Der hatte noch diese aufgesetzten Scheinwerfer vorne auf dem Kotflügel und das Reserverad hinten außen. Der sah klasse aus.
    Schmidt:   Einmal hatte ich einen Ford Taunus. Der sah aus wie ein kranker Hund.
    Steinbrück:   Mein erstes Auto war ein VW-Käfer. Mein Vater hatte mir den zum Abitur geschenkt. Der war acht Jahre alt und fiel dann bald auseinander. Auch danach hatte ich –
    Schmidt:   Noch mit der Brezelscheibe?
    Steinbrück:   Nein, mit dem Klofenster. Der rostete aber sauber durch.
    Schmidt:   Von unten?
    Steinbrück:   Von unten. Aber wenn es regnete, kam das Wasser durch die Heizlüfter, und deshalb hatte ich für den Beifahrer immer einen Mauerstein dabei, auf den er die Füße stellen konnte, damit sie nicht nass wurden.
    Schmidt:   Bei meinem war auch das Bodenblech durchgerostet, und wenn man durch eine Pfütze fuhr, kam ein Wasserstrahl durch den Boden.
    Steinbrück:   Ich will noch mal zurück zu jenen Berufspolitikern, für die eine stetige Absicherung in ihrer Partei wichtiger ist als die Bestätigung durch den Wähler. Da liegt für mich ein nicht geringes Problem. Es gibt Abgeordnete der SPD, deren Erststimmenergebnis bis zu sieben, acht, neun Prozent schlechter ist als das Zweitstimmenergebnis der Partei, und gerade einige von denen reißen den Schnabel in den Sitzungen am weitesten auf. Das persönliche Ergebnis in der Direktwahl des Abgeordneten sollte eigentlich ein Gradmesser sein für erfolgreiche politische Arbeit. Aber statt mal die Frage zu stellen, ob das denn die richtigen Kandidaten sind, werden sie von einer festgeschweißten Delegiertenkonferenz zum dritten und vierten Mal wieder aufgestellt. Die Parteien sollten dazu übergehen, sehr viel breiter Kandidaten auszusuchen und zu fördern. Das interessiert mich: Wie kommen die Parteien aus ihrer Binnenfixierung heraus und präsentieren Kandidaten und Kandidatinnen, deren Profil nicht nur die eigenen Delegierten, sondern vor allem die Wählerinnen und Wähler überzeugt?
    Schmidt:   Ich stimme Ihnen zu, Peer. Wenn jemand für sich weniger Stimmen erhält als seine Partei, dann ist er als Kandidat nicht geeignet. Man sollte ihn beim nächsten Mal nicht wieder aufstellen – aber ihn auch nicht hoch auf die Landesliste setzen. Und man sollte nach neuen Kandidaten Ausschau halten.
    Steinbrück:   Eine Möglichkeit, junge Kandidaten zu fördern, sehe ich in den sogenannten Kommunalakademien. Ich habe da mit jungen Kommunalpolitikern aus Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gern debattiert und ihnen auch anschließend zur Verfügung gestanden. Da kommen junge Mitglieder der SPD zusammen, die kommunalpolitisch interessiert sind oder auch dabei sind, auf kommunaler Ebene ein Mandat anzustreben, was ich außerordentlich begrüße. Wenn wir diese jungen Leute nicht heranführen an die Ausübung solcher Mandate in ihrem Stadtrat oder in ihrem Gemeinderat, sind

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