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Zug um Zug

Zug um Zug

Titel: Zug um Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt / Peer Steinbrück
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zwei Jahre dauert. Die gegenwärtige Regierung kann durchaus auseinanderbrechen, dann können Wahlen auch früher stattfinden.
    Steinbrück:   Dann muss man vorbereitet sein. Aber es macht keinen Sinn, sich auf die Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlichkeit eines vorzeitigen Endes der Legislaturperiode jetzt mit einer Personaldebatte einzustellen.
    Schmidt:   Ich habe durchaus Verständnis für den Standpunkt, bei dem Sie bleiben wollen. Ich will aber noch einen Zusatz machen, Peer: Mir ist das nicht so furchtbar wichtig, wer das Land regiert. Mir ist es wichtig, dass das Land anständig und wirksam regiert wird.
    Steinbrück:   Dem muss man zustimmen, wenn der Satz »Erst das Land, dann die Partei« nicht zur Floskel verkommen soll.
    Schmidt:   Das finde ich eine wunderbare Schlussbemerkung. Lassen Sie uns jetzt eine Partie Schach spielen.

Gewinnen wollen

Schmidt:   Ich muss Ihnen noch gratulieren, Peer.
    Steinbrück:   Wozu?
    Schmidt:   Zur deutschen Meisterschaft. Und ich verbinde damit eine Frage: Als Sie in den Aufsichtsrat von Borussia Dortmund eingetreten sind, war da schon absehbar, dass Dortmund Meister wird?
    Steinbrück:   Das war vor der Winterpause, und Dortmund stand schon auf Platz 1. Ich kann also leider nicht in Anspruch nehmen, dass es zwischen meiner Mitgliedschaft im Aufsichtsrat von Borussia Dortmund und dem Tabellenplatz oder auch dem Aktienkurs eine kausale Beziehung gibt.
    Schmidt:   Beim HSV wären Sie vielleicht nötiger gewesen.
    Steinbrück:   Ja, der BVB spielt zwar in derselben Liga, aber in einer anderen Welt als der HSV. Das liegt an mehreren Faktoren, zu denen auch die innere Geschlossenheit und der Umgang miteinander gehören. Das ist beim HSV anders, soweit ich das in den letzten Jahren verfolgen konnte. Ich will aber bekennen, dass ich mein erstes Spiel am Hamburger Rothenbaum gesehen habe, ein Spiel der damaligen Oberliga Nord, das war 1959, da war ich zwölf. Die Namen kenne ich noch heute: Uwe Seeler, Dieter Seeler, Gerhard Krug – von dem ich höre, dass er gerade gestorben ist –, der junge Charly Dörfel, Jürgen Werner, Piechowiak, Jochen Meinke als Kapitän. Ich fand das Stadion am Rothenbaum faszinierend; es gab keine Aschenbahn, die ersten Bänke standen vielleicht anderthalb Meter hinter der Außenlinie, Zäune gab es auch nicht. Die Leute waren noch nicht so verrückt, hinterher auf das Spielfeld zu stürmen, Hooligans waren unbekannt. Da bin ich bei jedem Heimspiel gewesen. Die Borussia aus Dortmund war bis zum Pokalendspiel 1963 ein Angstgegner des HSV.
    Schmidt:   Sie haben eben einen Namen erwähnt: Piechowiak. Der erinnert mich an Ihre Tätigkeit bei Borussia Dortmund, und Borussia erinnert mich an Schalke.
    Steinbrück:   Als gelernter Dortmunder darf ich Ihnen diesen Vergleich nicht durchgehen lassen! Die können sich nicht riechen. Aber egal, ich höre zu.
    Schmidt:   Der Name erinnert mich an Schalke, in Schalke gab es nämlich besonders viele Beispiele dafür, wie wunderbar die Integration von Zuwanderern aus vergleichbaren Zivilisationen in Wirklichkeit funktioniert. Niemand hat sich schöner und leichter in die deutsche Gesellschaft integriert als die Polen.
    Steinbrück:   Soll ich Ihnen mal die Fußballnationalmannschaft der fünfziger Jahre aufzählen? Nicht die berühmte von 1954, sondern die Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre: Tilkowski, Koslowski, Kwiatkowski, Cieslarczyk, Szymaniak, Juskowiak – ausnahmslos Spieler, deren Familien irgendwann mal aus Polen rübergekommen sind und im Ruhrgebiet heimisch wurden. Fußball bot Aufstiegschancen. Wenn ich länger nachdenke, finde ich noch mehr Namen. Erich Juskowiak ist 1958 nach einem Foul gegen den schwedischen Stürmer Hamrin im Halbfinale der Fußballweltmeisterschaft leider (selbstredend völlig ungerechtfertigt!) vom Platz gestellt worden. Daraufhin verloren wir 3:1. Da habe ich am Radioapparat geheult.
    Schmidt:   Sie haben auch meinen Freund Uwe Seeler erwähnt. Der ist irgendwann zu ein bisschen Geld gekommen im Laufe der sechziger Jahre. Da habe ich ihm geholfen, eine Tankstelle einzuweihen, die ihm gehörte.
    Steinbrück:   Es muss damals ein Ansinnen eines italienischen Vereins gegeben haben, Uwe Seeler abzuwerben, und da muss der damalige Hauptpastor des Hamburger Michel – hieß der Thielicke?
    Schmidt:   Er war nicht Hauptpastor, sondern er war Professor der Theologie und spielte als Prediger eine große Rolle in der

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