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Zug um Zug

Zug um Zug

Titel: Zug um Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt / Peer Steinbrück
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ein erstklassiger Fachmann. Daran kann nicht gezweifelt werden. Er ist aber nicht jemand, der das politische Umfeld und das internationale – oder in diesem Fall das europäische – Umfeld in ausreichender Weise mit ins Kalkül nimmt. Er ist das typische Ergebnis von sechzig Jahren Bundesbanktradition; gelernt hat er das an der Universität. Wir haben das ja viele Male erlebt. Ich erinnere an eine Situation irgendwann in den siebziger Jahren, da war Italien in einer Krise, die zur Zahlungsunfähigkeit des italienischen Staates hätte führen können. Und zwischen dem damaligen Bundesbankpräsidenten Karl Klasen und mir – ich war damals Regierungschef – entstand der Gedanke, wir müssen den Italienern helfen. Wir kamen zum Ergebnis, den Italienern einen Kredit von – das war damals eine Riesensumme – fünf Milliarden Deutsche Mark zu geben. Und weil Klasen Bundesbankpräsident war, konnte er das in seinem Zentralbankrat durchsetzen. Damit wir den Bundestag und somit die Schwierigkeiten im Parlament umgehen konnten, haben wir es nämlich als Kredit seitens der Bundesbank ausgegeben. Die alten Bundesbanker haben gesagt: Ja, aber! – und haben durchgesetzt, dass die Italiener für fünf Milliarden Gold zum damaligen offiziellen Goldpreis als Pfand gegeben haben. Übrigens ist das alles gutgegangen, die Italiener haben bedient und haben zurückgezahlt, und kein Mensch redet mehr darüber. Aber es ist ein Vorgang, der zeigt, dass eine Zentralbank natürlich auch das politische Umfeld – in diesem Fall das europäische politische Umfeld – ernst nehmen muss.
    Steinbrück:   Die EZB wird bei Mario Draghi in guten Händen sein. Ich habe ihn über Jahre erlebt, insbesondere als Vorsitzenden des Financial Stability Forum – jetzt heißt es Financial Stability Board – und als einen sehr kenntnisreichen Mann, auch mit politischem Gespür, sehr gut vernetzt in den wichtigen Ländern, auch in außereuropäischen Ländern, ein Mann mit hoher Reputation – und, wenn man so will, der deutschen Stabilitätskultur durchaus nahestehend. Ich habe es für einen enormen politischen Fehler gehalten, dass sich die Bundesregierung nach dem Rückzug von Axel Weber nicht schnell zu seinen Gunsten erklärt hat, was übrigens auch unter dem Gesichtspunkt zukünftiger deutscher Personalinteressen nicht sehr klug gewesen ist. Zu einem frühen Zeitpunkt Mario Draghi zu favorisieren und dies öffentlich zu machen hätte es der Bundesrepublik erleichtert, bei der Besetzung von europäischen oder außereuropäischen Spitzenpositionen an anderer Stelle auf Entgegenkommen zu setzen. Ich will noch hinzufügen: Ich habe durchgängig die Erfahrung gemacht, dass die Italiener in Gestalt von Tommaso Padoa-Schioppa, Mario Monti, Mario Draghi, Alessandro Profumo und Carlo Ciampi glänzende Experten auf den Feldern Geld, Kredit und Finanzen haben, was sich leider auf der Regierungsebene nicht widerspiegelt, wenn man von dem redlichen Bemühen des italienischen Finanzministers gegenüber Herrn Berlusconi absieht.
    Schmidt:   Ich stimme Ihrem Urteil über die italienischen Zentralbanker, die wir im Laufe der letzten dreißig Jahre erlebt haben, uneingeschränkt zu. Das gilt insbesondere für den neuen EZB-Präsidenten Mario Draghi.
    Steinbrück:   In der Tat, Draghi hat Berlusconi eine Rede ins Stammbuch geschrieben, wie sie in Italien selten gehalten wurde, mit sehr viel Courage und in aller Deutlichkeit – übrigens nicht zum ersten Mal. Draghi war so explizit, wie das nach den politischen Regeln in Italien sonst nicht üblich ist. Ich halte ihn uneingeschränkt für die beste Besetzung, die wir bekommen können für die Europäische Zentralbank, und verbinde das mit einem hohen Kompliment für die Arbeit von Jean-Claude Trichet.
    Schmidt:   Richtig! Und einem Kompliment für Padoa-Schioppa, der inzwischen leider gestorben ist, und einem zusätzlichen Kompliment für den Staatspräsidenten Napolitano, einen ehemaligen Kommunisten.
    Steinbrück:   Das wusste ich nicht, dass er KPI-Mann war.
    Schmidt:   Ja, sieht man ihm heute nicht mehr an.
    * * *
    Steinbrück:   Sie haben das Gespräch über Ursachen und Folgen der Finanzkrise mit einem dicken Lob für die Europäische Zentralbank und den Euro eröffnet; dem kann ich mich im Großen und Ganzen nur anschließen. Je mehr ich mir die Unabhängigkeit der EZB und ihre Geldpolitik vor Augen führe, desto mehr bedrückt mich aber der Kurs, den die amerikanische Zentralbank

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