Zug um Zug
ist, ob er einen Kompass hat und gutes politisches Handwerkszeug mitbringt.
Schmidt: Wir spielen ja nun schon seit vielen Jahren miteinander Schach. Sie haben von fünf Spielen vier gewonnen, und einmal haben Sie mich gewinnen lassen –
Steinbrück: Das stimmt nicht. Wenn Sie gewonnen haben, Helmut, haben Sie sauber gewonnen.
Schmidt: Was ich sagen will, ist, dass im Schachspiel natürlich jeder von beiden gewinnen will. Das spielt auch eine Rolle in der Politik. Das hat mit Macht noch gar nichts zu tun, sondern Gewinnenwollen ist zunächst einmal eine allgemein menschliche Eigenschaft – wie im Fußballspiel oder im Schachspiel. Allerdings ist die Politik viel mehr dem Fußballspiel zu vergleichen als dem Schachspiel, denn die Politik ist ein Mannschaftssport und nicht ein Sport, wo es allein auf das eigene, sehr persönliche Können und die eigene Kraft ankommt. Alle Politiker sind auf ihre Mannschaft angewiesen.
Steinbrück: Man will zusammen gewinnen. Deshalb fand ich ja diesen Satz der Grünen-Politikerin Claudia Roth zum Kringeln blöd, die während der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland sagte, sie freue sich ja so sehr, wenn auch mal die anderen gewinnen. So was käme mir nicht in den Sinn. Ich will, dass unsere Mannschaft gewinnt, dass wir gewinnen.
Im Strudel der internationalen Finanzkrise
Schmidt: Ich möchte das Thema Finanzkrise gern mit drei positiven Bemerkungen über die Europäische Zentralbank, über ihren Präsidenten Jean-Claude Trichet und über den Euro eröffnen. Erstens: Wenn ich die zehn Jahre, seit der Euro greifbar ist, vergleiche mit den letzten zehn Jahren, in denen die D-Mark gegolten hat, dann ist der Euro in jeder Hinsicht stabiler, als es die D-Mark in ihren letzten zehn Jahren war, sowohl im Hinblick auf die Preissteigerungs- oder Inflationsrate im Euroraum als auch mit Blick auf die äußere Kaufkraft, sprich: den Wechselkurs. Das heißt, die populäre Hausfrauenmeinung, der Euro sei ein Teuro, ist ganz abwegig, und viele der heutigen Journalisten und Politiker, die darüber schreiben oder schwatzen, sind im Irrtum. Zweitens: Der Euro ist inzwischen die zweitwichtigste Reservewährung der Welt geworden. Von 100 Prozent Weltwährungsreserven sind knapp 60 Prozent denominiert in Dollar, knapp 30 Prozent in Euro; die restlichen 10 oder 12 Prozent verteilen sich auf Yen und Schweizer Fränkli und Sterling und was weiß ich. Dritter Punkt: Die Vorwürfe, die man der Europäischen Zentralbank heute macht, dass sie Staatsanleihen des griechischen Staates oder des portugiesischen oder des irischen Staates aus dem Markt genommen hat, also praktisch Geld geschöpft hat, um auf diese Weise die Neuverschuldung dieser drei Länder zu ermöglichen, diese Vorwürfe sind deswegen ungerechtfertigt, weil die Regierungen nichts zustande gebracht haben, obwohl sie hätten handeln müssen. Die Europäische Zentralbank war die einzige europäische Instanz, die handlungsfähig war. Und zum Ärger des damaligen Bundesbankpräsidenten Axel Weber hat sie in kleinem Umfang gemacht, was die amerikanische Zentralbank in riesenhaftem Umfang gemacht hat. Wer als regierender Politiker der Europäischen Zentralbank Vorwürfe machen will, der muss sich an die eigene Nase fassen.
Steinbrück: Ich teile Ihre Auffassung, dass die Europäische Zentralbank wegen des politischen Versagens zu einem Ersatzakteur gemacht worden ist. Und dieser Fehler ist gemacht worden Anfang Mai 2010, als der erste Rettungsschirm von den Staats- und Regierungschefs zwar in Aussicht gestellt worden ist, aber das Gesamtergebnis viel zu mager war, um die Lunte auszutreten. Daraufhin musste die Europäische Zentralbank einspringen. Sie war dazu nicht genötigt, aber sie hat es getan. Der Punkt ist, dass sie damit über ihre geldpolitische Funktion hinaus eine fiskalpolitische Aufgabe übernommen hat, und die steht nirgends in ihren Statuten. Die EZB war damit nicht mehr in der neutralen Ecke, sondern hat seither sogar italienische und spanische Anleihen dazugekauft, womit sie noch mehr Risiken als die bisherigen 75 Milliarden Euro auf ihre Bilanz gezogen hat. Im Vergleich zur amerikanischen Zentralbank ist das zwar weniger als ein Zwanzigstel, die Fed dürfte an die 2,4 Billionen Dollar Staatsanleihen auf ihrer Bilanz haben. Aber wenn nun passiert, was in meinen Augen eines Tages passieren muss, nämlich eine Umschuldung Griechenlands mit einem Schnitt, dann sind die 40 bis 45 Milliarden
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