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Zug um Zug

Zug um Zug

Titel: Zug um Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt / Peer Steinbrück
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fährt. Seit etwa zehn Jahren pumpt sie enorm viel Liquidität in die Märkte, weil sie, anders als die Europäische Zentralbank, ein doppeltes Mandat hat. Sie hat erstens das Mandat der Geldwertstabilität, und sie hat das zweite Mandat, für die Stabilisierung des Arbeitsmarktes und für Wachstumsunterstützung zu sorgen. Im Augenblick legt sie den Akzent eindeutig auf das zweite Mandat. Sie wiederholt die Politik des extrem billigen Geldes, die unter Alan Greenspan schon in der Folge des 11. September 2001 gemacht worden ist, in der Fehlannahme, dass über diese Liquiditätsschwemme der Konjunkturmotor wieder anspringt und ebenso der Arbeitsmarkt. Das Hauptproblem der US-Wirtschaft ist aber nicht, an billiges Geld zu kommen, sondern es sind strukturelle Probleme. Nun schwappt diese Liquidität über die Grenzen der USA hinaus, auf Rohstoffmärkte, auf Immobilienmärkte, auf Finanzmärkte außerhalb der USA, und setzt, wie ich glaube, eine weltweite inflationäre Entwicklung in Gang.
    Schmidt:   Wobei diese weltweite inflatorische Entwicklung mit zeitlicher Verzögerung eintreten wird, aber ich stimme Ihnen zu.
    Steinbrück:   In den USA selbst liegt die Inflation im Augenblick bei 3,9 Prozent. In China ist sie Mitte des Jahres auf über 4,5 Prozent gesprungen. Was mich in diesem Zusammenhang zusätzlich beschäftigt – das schließt noch einmal an das erste Kapitel an –, ist die Frage, was passiert, wenn die Inflation in den USA ebenfalls auf 4,5 Prozent und höher geht und die Werthaltigkeit der Anlagen ausländischer Investoren davon betroffen ist. Wie verhält sich ein chinesischer Staatsfonds, bezogen auf die Werthaltigkeit seiner Anlagen, wenn er den Eindruck hat, dass diese Anlagen pro Jahr einer solchen Entwertung unterliegen? Welche Konsequenzen werden mit Blick auf die Anlagestrategien dann gezogen?
    Schmidt:   Wie lange die Chinesen bei ihrer vorsichtigen Zurückhaltung bleiben, erscheint mir als offene Frage. Mir scheint die inflatorische Entwicklung weltweit das größere Problem. Es ist einfach zu viel Geld da. Beispiel Dubai: Da sind ein paar Leute am Persischen Golf auf die Idee gekommen, sich ihr eigenes Manhattan aufzubauen und gleichzeitig ein eigenes Kalifornien oder ein eigenes Florida. Dubai ist ein typisches Beispiel für die weltweiten Konsequenzen der Geldschöpfung durch die amerikanische Zentralbank.
    Die Ausweitung der Geldmenge als unmittelbare Reaktion auf den 11. September war damals übrigens ganz vernünftig, das hat mit der heutigen Finanzkrise nichts zu tun. Erst die jetzige Liquiditätsschöpfung, die nun anhält seit 2007 und die in der Tat von Alan Greenspan vorbereitet worden ist, hat insgesamt die Konsequenzen unausweichlich gemacht, die Sie eben geschildert haben.
    Steinbrück:   Na, es gibt da schon einen Zusammenhang. Ich glaube, dass damals, nach dem 11. September, die Politik von Greenspan nachvollziehbar gewesen ist. Aber sie ist dann nicht korrigiert worden, sondern hat über 2002/2003 hinaus so viel Liquidität in die Märkte gepumpt, dass die amerikanischen Banken buchstäblich Drückerkolonnen von Tür zu Tür gejagt haben, um Hypothekenkredite zu verkaufen nach dem Motto: Wir bieten Ihnen eine hundertprozentige oder sogar hundertzwanzigprozentige Abdeckung bei einem Hauskauf. Das ist ziemlich risikolos für Sie, selbst dann, wenn Sie eines Tages mit Zinsen und Tilgung Schwierigkeiten haben sollten. Warum? Weil Sie mit steigenden Immobilienpreisen rechnen können. Im Zweifelsfall, so wurde suggeriert, ist der Wiederverkaufswert höher als das, was Sie haben zahlen müssen, und damit kommen Sie ökonomisch unbeschädigt heraus. Das stand am Anfang der Krise auf dem amerikanischen Hypothekenmarkt, und es war eine unmittelbare Auswirkung der Politik des extrem billigen Geldes.
    Es kam etwas Zweites dazu, das zu tun hat mit der zunehmenden Spreizung der Einkommens- und Vermögensentwicklung. Weil die realen Löhne und Gehälter in den USA entweder rückläufig waren oder stagnierten und auf der anderen Seite riesige Vermögen entstanden, köderte man die Einkommensbezieher in den unteren Kategorien mit billigen Zinsen und der Perspektive eines günstigen Hauskaufs. Der staatlich propagierte und über die Geldpolitik geförderte Eigentumserwerb war auch eine Kompensation für die zunehmenden Ungerechtigkeiten in der Einkommens- und Vermögensentwicklung.
    Schmidt:   Was den Hypothekenmarkt in den USA angeht, muss man wissen, Peer, dass der

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