Zug um Zug
Hypothekenschuldner persönlich nicht haftet, ganz anders als in Deutschland. Wenn ich in Deutschland ein Haus baue und nehme eine Hypothek auf, dann bin ich persönlicher Schuldner, und mein Haus dient als Pfand. In Amerika schuldet nicht der Eigentümer des Hauses, sondern nur das Pfand schuldet. Deswegen kann jemand, der seine Hypothek im Zuge der Krise nicht mehr bedienen kann, das Haus aufgeben. Er gibt den Schlüssel bei der Bank ab. Die Bank hat jetzt das Pfand, das sie allerdings wegen der Flaute am Hypothekenmarkt gegenwärtig nicht verwerten kann, und er ist frei von Schulden. Das ist ein ganz wichtiger Unterschied, den man im Kopf haben muss, wenn man verstehen will, wie diese Hypothekenfinanzierung in den USA wirkt.
Ich möchte zurückkommen auf die Geldschöpfung durch die amerikanische Zentralbank unter meinem Freund Alan Greenspan. 1998 hatte ich eine Auseinandersetzung mit Bill McDonough; er war ein Freund und Kollege von Greenspan und leitete die Zentralbank in New York. Die beiden hatten damals die Rettung eines großen Hedgefonds beschlossen, der hieß LTCM – Long-Term Capital Management (ich füge gerne hinzu, dass das ein falscher Name war, hätte heißen müssen: Short-Term Capital Mismanagement). Ich war der Ansicht: Lasst sie pleitegehen. Aber die beiden Herren meinten, die Konsequenzen seien zu schrecklich, denn der Fonds reiße soundso viele Leute, die diesen Managern Geld geliehen haben, mit in den Konkurs. Mein Argument war: Lasst sie in Konkurs gehen, das wird eine Lehre sein für all die übrigen Leute, die ähnliche Geschäfte machen. Aber für Greenspan und McDonough galt das Prinzip: Too big to fail. Da fing der Fehler an. Das war heute vor 13 Jahren.
Steinbrück: Diesen Fehler habe ich letztlich auch gemacht. Denn vor der gleichen Frage stand ich bei einer ganz kleinen Bank in Düsseldorf, die hieß IKB. Die waren die Ersten, die erwischt wurden von der Subprime-Krise. Da hatte ich eine Telefonkonferenz, die ich mein Leben lang nicht vergessen werde; zugeschaltet waren der Bundesbankpräsident Weber, Herr Sanio von der BaFin, die Präsidenten der drei großen Bankenverbände für die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute, für die Genossenschaftsbanken und die privaten Geschäftsbanken sowie Spitzenvertreter einzelner Banken wie auch Mitglieder des Aufsichtsrates der KfW. Ich stellte früh die Frage: Warum lassen wir die nicht pleitegehen? Das war eine meiner ersten Reaktionen, nach dem Motto: Das ist Marktwirtschaft. Die versammelte Auffassung aller Beteiligten lautete: Wenn Sie die pleitegehen lassen, Herr Steinbrück, dann haben Sie es mit Ansteckungsgefahren zu tun, die unabsehbar sind, weil eine Reihe von institutionellen Anlegern bis hin zu der Sparkasse in Entenhausen oder eine Berufsgenossenschaft oder eine Krankenkasse dann entsprechende Abschreibungen und Wertberichtigungen vornehmen müssen und damit Dominoeffekte ausgelöst werden. Außerdem wäre es fatal, wenn ausgerechnet in Deutschland der erste Fall einer Bankenpleite eintreten würde; das würde auf den gesamten europäischen Bankensektor abfärben, nach dem Motto: So gehen die Deutschen mit dieser Bankenkrise um.
Schmidt: In welchem Jahr war das?
Steinbrück: Das war Ende Juli 2007, also mehr als ein Jahr vor Lehman, und das Ergebnis war genau das, was Sie gerade beschrieben haben am Beispiel von LTCM. Das Ergebnis war, dass wir die IKB gerettet haben. Heute beschäftigt mich die Frage, ob das am Anfang nicht hätte anders gemacht werden müssen, und zwar getreu einem chinesischen Sprichwort, das da lautet: Wenn du die Affen warnen willst, schlachte ein Huhn. Das Huhn wäre die IKB gewesen, und die Affen wären andere Banken gewesen.
Schmidt: Das heißt, Sie haben damals so gehandelt, wie eigentlich alle Staaten der Welt anschließend gehandelt haben. Und insgesamt stellt es sich als ein Fehler heraus.
Steinbrück: Ob die Rettung der IKB damals ein Fehler war, darüber lässt sich streiten. Der einmütige Rat aller Beteiligten der deutschen Bankenszene war, sie zu retten. In jedem Fall haben die USA mit der Insolvenz von Lehman Brothers einen Riesenfehler gemacht.
Schmidt: Also, ich vermute mal, wenn der Finanzminister – das war damals Larry Summers?
Steinbrück: Nein, das war Hank Paulson.
Schmidt: Richtig, es war Paulson. Nachdem die USA bis dahin alle möglichen Finanzinstitute gerettet hatten, hat niemand damit gerechnet, dass Washington die große
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