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Zugzwang

Zugzwang

Titel: Zugzwang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Kohl
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merkwürdig.«
    Calvin nahm einen großen Schluck aus seinem Glas, Stauder sah ihn unruhig an.
    »Die Kursentwicklung verlief absolut geradlinig«, er machte dabei eine langsame Bewegung mit seinem rechten Arm ähnlich eines startenden Flugzeuges, »normalerweise gibt es immer ups and downs. Ich meine, es gibt immer zwischendurch Gewinnmitnahmen. Ein Wertpapier steigt auf sechs, fällt auf fünf, steigt dann auf neun und so weiter, Sie verstehen?«
    Stauder nickte.
    »Nicht aber bei unserer Aktie in der letzten Woche. Kontinuierlich nach oben.«
    Baker machte noch einmal den startenden Jet nach. Stauder sah ihn zweifelnd an.
    »Herr Baker, haben Sie selbst Aktien verkauft.«
    Calvin Baker starrte zur Decke und blies langsam seinem Atem durch die Nase aus. Dann sah er Stauder in die Augen.
    »Auch wenn ich mich jetzt verdächtig mache, ja. Ja, wir haben einen erheblichen Teil unserer Aktien verkauft. Nicht gerade auf dem Höhepunkt, aber mit gutem Gewinn. Es wäre fahrlässig gewesen, nicht so zu handeln. Wir konnten so günstig unsere liquiden Mittel erhöhen und damit unserer Firma mehr Sicherheit geben.«
    »Wie dringend brauchte Ihre Firma denn diese liquiden Mittel?«
    Baker stutzte kurz und begann dann zu lachen.
    »Ach so. Nein, nicht was Sie denken. BioPharmaca ist absolut gesund. Der niedrige Aktienkurs resultiert aus der Tatsache, dass wir zur Zeit geringe Umsätze haben. Das ist aber normal, wir stecken sehr viel Geld und Zeit in die Forschung, also quasi in die Zukunft. Wenn unser neues Medikament zugelassen wird, geht der Kurs steil nach oben. Parallel zu den Umsätzen übrigens. Sie können sich gerne unsere Bilanzen einmal ansehen, falls Sie mir nicht glauben.«
    »Danke, das ist im Moment nicht nötig. Was für ein Medikament ist das denn, von dem Sie sich so viel versprechen?«
    Baker atmete innerlich tief durch. Dieser Bluff könnte ihnen eine Galgenfrist verschaffen. Die nötige Zeit vielleicht, um selber Klarheit zu bekommen.
    »Alzetin. Es verringert bei Alzheimererkrankten das Fortschreiten der Krankheit um bis zu achtzig Prozent.«
    Stauder hatte sich alles notiert und steckte seinen Block in die Innentasche seiner Jacke. Den Kugelschreiber klemmte er gedankenverloren hinter sein rechtes Ohr.
    »Gut, das wär’s fürs e rste. Herr Baker, Sie hören von uns. Und falls Ihnen noch etwas einfällt ...«
    Stauder überreichte ihm eine Visitenkarte und verabschiedete sich.

7
    Eine halbe Stunde standen Joshua und Daniel vor dem Rheinknietunnel.
    »Das muss man sich mal vorstellen«, tobte Daniel van Bloom, »da sperren die mitten am Tag eine Fahrbahn im Tunnel, um ein paar Neonröhren auszuwechseln.«
    Joshua hörte nicht hin. Er hatte ganz andere Dinge im Kopf. Er überlegte, wo er die Nacht verbringen sollte und wie es wohl seinen Kindern gehen würde. Was würden sie am Wochenende unternehmen? Was hatte Janine ihnen erzählt, weshalb ihr Vater nicht da sei? Sie liebt mich, dachte er, und schmeißt mich raus. Warum? Man hätte doch noch einmal in Ruhe darüber reden können. Er musste es noch einmal versuchen. Direkt nach Feierabend, nahm er sich vor, sie anzurufen und um ein Treffen zu bitten.
    Sie hatten die Rheinkniebrücke längst passiert. Joshua kannte sich hier aus. Er hatte mit Janine die ersten Jahre in Bilk gewohnt. Kronprinzenstraße, dritter Stock und sehr glücklich. Ganz in der Nähe der Oberbilker Allee. Dort, wo die Straßenbahnen im Zwanzig-Minuten-Takt zwischen Dönerbuden und Spielhallen ihre Fahrgäste aus der City ausspuckten. Ihr Pulsschlag durchdrang das Viertel bis spät in den Abend. Joshua dachte an das erste gemeinsame Frühstück mit Janine. Thunfisch auf Knäckebrot, mehr gab es nicht in seinem Junggesellenhaushalt. Er erinnerte sich daran, wie peinlich es ihm war. Janine, die zu dieser Zeit noch bei ihren Eltern in Köln lebte, sagte nur lächelnd, sie hätte nicht mehr erwartet in ›Downtown Düsseldorf‹.
    Joshua fuhr über die Poststraße Richtung Carlsplatz. Kurz vor der Benrather Straße fand er eine Parklücke.
    »Den Rest laufen wir. Die Wallstraße ist sowieso Fußgängerzone.«
    S ie liefen quer über den Carlsplatz und waren nach fünf Minuten in der Wallstraße dreiunddreißig. Daniel drückte zweimal auf die Klingel mit dem Namen Groding. Während sie warteten, zupfte er überall an seinem Jackett. Mit spitzen Fingern entfernte er ein Haar von seinen Schultern. Danach fiel sein Blick missbilligend auf eine Falte im Bereich der Taille. Pausenlos rieb er

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