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Zugzwang

Zugzwang

Titel: Zugzwang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Kohl
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seinem Plan unterrichtet. Sie erklärten sich spontan einverstanden. Sein Vater wollte alles ganz genau wissen, den gesamten Fall. Während Rosi im Gästezimmer ihren Koffer auspackte, verschwand seine Mutter in der Küche. Sie war strikt dagegen, dass das junge Mädchen in seinem Zimmer schlafen sollte. Joshua saß mit seinem Vater im Wintergarten. Er hatte ihnen ein Glas Bier eingeschenkt und sich für seine Äußerungen vom Vortag entschuldigt. Wobei entschuldigt ein wenig übertrieben ausgedrückt war. Man könnte eher sagen, er hatte seine Äußerungen relativiert. Joshua störte es nicht. Es war ohnehin schon mehr, als er erwartet hatte. Im Übrigen war er auf diesen Burgfrieden angewiesen. Nachdem er einen kräftigen Schluck getrunken hatte, meinte sein Vater, er könne selbstverständlich bei ihnen übernachten. Einige Minuten später griff sein Vater das Thema noch einmal auf.
    »Joshua, ich kann dich verstehen. Es ehrt dich, dass du zu deiner Familie stehst. Aber dass Janine nicht die Nerven hat, mit einem Polizisten zu leben, dürfte dir doch wohl spätestens jetzt klar sein.«
    Joshua nahm einen tiefen Schluck und begann, sich eine Zigarette zu drehen. Vielleicht hatte Janine ja einfach nur eine schwache Phase.
    »Vater, ich werde versuchen, mich zum LKA versetzen zu lassen.«
    Sein Vater sah ihn nachdenklich an.
    »Glaubst du, damit sind eure Probleme gelöst? Die deiner Frau vielleicht, aber was ist mit dir. Ich weiß doch genau, wie sehr du an deinem Beruf hängst.«
    »Beim LKA arbeiten auch Polizisten«, gab er trotzig zurück.
    Sein Vater hob resigniert die Arme.
    »Einen Dickkopf hattest du immer schon, aber jetzt zur Sache. Was ist das für ein Fall?«
    Joshua erzählte ihm in allen Einzelheiten davon. Sein Vater lehnte sich zurück, zündete sich eine Zigarre an und hörte ihm aufmerksam zu. Er trug wie immer eine dunkelbraune Strickweste über einem Oberhemd. Joshua fragte sich oft, warum sein Vater auch zu Hause eine Krawatte trug. Er hatte den Übergang zum Pensionär eigentlich nie wirklich vollzogen, nicht nur, was die Kleidung betraf. Seine Mutter ging nicht aus freien Stücken sofort in die Küche, um etwas vorzubereiten, sondern weil er ihr ein Zeichen gab. Er behandelte sie oft wie eine Untergebene, was Joshua stets missfiel. Sie hatte sich in all den Jahren daran gewöhnt und nahm es gar nicht mehr wahr. Janine behauptete, sein Vater hätte ihren Willen gebrochen. So dramatisch war es wohl nicht.
    Da Joshua den Fall aus seiner Sicht schilderte, drängte er seinem Vater natürlich eine subjektive Sichtweise auf. Dieser ließ sich dadurch aber nicht beirren. Nach einer kurzen Gedankenpause äußerte er seine Meinung dazu.
    »Ich muss dir Recht geben, was die Indizien betrifft. Alle könnten, ich sagte könnten, fingiert sein. Das trifft aber auf sehr viele Indizienprozesse zu. Selbstverständlich darf man da nicht zu oberflächlich herangehen. Auf der anderen Seite musst du meines Erachtens nach objektiver werden.«
    Joshua hörte fast andächtig zu. Er nutzte oft die Erfahrung seines Vaters. Seine Ratschläge schmeckten meist bitter, aber sie halfen auch oft.
    »Es mag ja sein, dass deine Vermutung zutrifft, ich glaube es sogar, aber du solltest dir mehr Sicherheit holen. Wie genau kanntest du Groding? Was weißt du über seine Vergangenheit? Wäre es möglich, dass er technisch hoch versiert ist, aber zuletzt äußerst phlegmatisch war? Wäre es zudem möglich, dass er äußerst gerissen war und dich bewusst auf eine falsche Fährte gehetzt hat? Hast du das alles überprüft, bevor dein Urteil feststand?«
    Joshua sackte in sich zusammen. Sein Vater hatte Recht. Viel zu häufig ließ er sich von seinem Instinkt leiten. Viel zu viele Entscheidungen traf er aus dem Bauch heraus. Momentan sah er nur die Fakten, er musste mehr im Nebel der Hintergründe stochern. Er wollte seinem Vater noch von Daniel erzählen, von Mobbing und reißerischen Zeitungsartikeln. Ihn überkam jedoch das Gefühl, sich damit eine Blöße zu geben. Sein Vater würde ihm raten, die Ellenbogen auszufahren, zu boxen und zu treten, seine Position herauszustellen, wie er es immer nannte. Plötzlich fiel ihm das Treffen mit seiner Frau ein. Er sah auf die Uhr, kurz vor neun. Hastig sprang er auf und lief im Zimmer umher, während er die heimische Nummer in sein Handy hackte. Seine Frau meldete sich nach dem ersten Klingeln.
    »Hallo Liebes. Es tut mir Leid, es ist was dazwischen gekommen, aber ich fahre sofort

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