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Zugzwang

Zugzwang

Titel: Zugzwang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Kohl
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vereinfacht erklären?«
    Baker atmete tief durch.
    »Also gut. Die meisten Aktionäre haben nicht die Zeit, permanent die Kursentwicklungen ihrer Aktien im Auge zu behalten. Diese Aufgabe übernimmt die Bank für sie. Um unliebsamen Überraschungen vorzubeugen, können sie eine so genannte Stopp-Loss-Order erteilen. Sie weisen damit die Bank an, ihre Aktien zu verkaufen, sobald sie auf einen vorher definierten Wert gesunken sind. Dadurch können sie größere Verluste vermeiden. Dabei sollten sie aber die gewöhnlichen Kursschwankungen berücksichtigen, was viele Kleinaktionäre eben nicht machen. Nehmen wir an«, Baker lehnte sich nach vorne, »der Kurs der Aktie sinkt von vierzehn Euro auf dreizehn Euro fünfzig. Einige tausend Kleinaktionäre haben für diesen Kurs ihre Stopp-Loss-Order angegeben. Was passiert? Etliche Aktien werden automatisch verkauft, der Kurs sinkt natürlich dadurch abermals, die nächsten Stopp-Loss-Order greifen und so weiter. Das alles geht so schnell, dass es ihnen passieren kann, trotz der Anweisung an die Bank, bei dreizehn zu verkaufen, nur noch zehn zu bekommen. So wird es wohl auch für Schändler gelaufen sein. Könnte ich mir jedenfalls gut vorstellen.«
    Joshua dachte über diesen Vortrag nach. Ganz einleuchtend erschien es ihm dennoch nicht.
    »Das könnte doch aber mit jeder Aktie passieren.«
    »Nein, das geht nicht. Der Kurs einer Aktie pendelt sich über kurz oder lang immer am Marktwert des Unternehmens ein, beziehungsweise stellt diesen dar. Da gibt es immer genügend Interessenten, die für einen günstigen Kurs ihr Portfolio auffüllen möchten. Größere Unternehmen sind außerdem unabhängiger gegenüber Kleinaktionären. Im Ernstfall gibt es auch noch die Möglichkeit, Stützungskäufe zu tätigen, welche auch oft wahrgenommen wird.«
    Joshua hatte das Gefühl, sich von dem Grund seines Besuches zu entfernen. Wie kam Schändler auf die Idee, dermaßen viel Kapital in diese Firma zu stecken, welches Wissen steckte dahinter?
    »Herr Baker, gab es vorher irgendeine Verbindung zu Schändler? Vielleicht über Ihre Mitarbeiter?«
    »Nein. Wie ich bereits erwähnte, kannte ich diesen Herrn nicht.«
    Joshua glaubte ihm nicht. Nach Lage der Dinge stand die Firma vor dem Ende. Schändler hatte zumindest an dem Höhenflug der Aktie maßgeblichen Anteil. Letztendlich hatte sein Auftreten die Firma ruiniert. Wenn auch nur indirekt. Für einen ehrgeizigen Geschäftsmann wie Baker vielleicht ein Motiv. Finanziell hatte die Firma ebenso von dem unerwarteten Kursanstieg profitiert. Die Frage, inwieweit er privat und wer überhaupt die Nutznießer dieser Achterbahnfahrt waren, würden ihm die Kollegen vom LKA bald erklären können. Er nahm sich vor, seinen Freund Jack zu kontaktieren. Ein Treffen mit ihm war ohnehin überfällig.
    »An wen fallen eigentlich die Patentrechte im Falle eines Konkurses von BioPharmaca?«
    Baker sah ihn an wie einen Aasgeier.
    »Noch sind wir nicht in Konkurs.«
    »Gut, wir wollen auch hoffen, dass das so bleibt. Aber falls doch?«
    Calvin Baker entleerte genervt seine Lunge.
    »Dann sind sie Teil der Konkursmasse. Sie würden von einem möglichen Käufer mit erworben.«
    Joshua fiel ein, auf welche Weise Till Groding seine Firma verloren hatte. Was wäre, wenn Baker ihm nur die halbe Wahrheit sagte. Wenn Schändler bereits als Käufer auf der Matte stand. Baker und seine Firma würden die Früchte jahrelanger harter Forschungsarbeit an einen skrupellosen Geschäftemacher verlieren.
    »Herr Baker, eine Frage noch. Wo waren Sie letzten Donnerstag, zwischen sechzehn und zweiundzwanzig Uhr?«
    Baker stand auf und ging zur Tür. Dort zögerte er kurz.
    »Hier im Büro. Alleine. Es tut mir Leid, dass ich Ihnen kein Alibi liefern kann. Aber in der derzeitigen Situation schlafe ich fast immer im Büro.«
    »Können Sie vielleicht jemanden benennen, der Sie in dieser Zeit angerufen hat, war Ihre Sekretärin noch da?«
    »Herrje nein und wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, ich habe noch zu tun. Oder möchten Sie mich vielleicht auch noch verhaften?«
    »Nein, wieso auch noch?«
    »Unseren Buchhalter haben Sie ja schon. Ich war entsetzt, als ich von seinen Bilanzfälschungen erfahren habe.«
    Baker wirkte nicht besonders glaubwürdig auf Joshua. Er verabschiedete sich von dem Unternehmer und lief an ihm vorbei in Richtung Aufzug. Der Schreibtisch der Sekretärin war verwaist. Unten im Foyer ging er noch einmal zu der jungen Dame an den Tresen. Sie blickte

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