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Zugzwang

Zugzwang

Titel: Zugzwang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Kohl
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dem Piercing in der Nase wirkte zunächst verwirrt. Unbeholfen nahm sie den Dienstausweis und sah ihn an.
    »Herr Trempe, oh Entschuldigung, Herr Hauptkommissar Trempe. Normalerweise bräuchten Sie da einen Termin. Aber im Moment geht hier sowieso nicht viel. Fahren Sie doch bitte in den dritten Stock und melden Sie sich bei der Frau Gernot. Das ist die Sekretärin von Herrn Baker. Vielleicht kann sie Ihnen helfen.«
    Joshua nahm den Dienstausweis wieder an sich und folgte ihrem Vorschlag. Er war zu ungeduldig, auf den Aufzug zu warten und rannte die drei Etagen hoch.
    Die schlanke, junge Frau begutachtete seinen Ausweis und zögerte. Dann strich sie sich ihre langen, blonden Haare aus dem Gesicht und griff zum Telefonhörer. Kurz darauf führte sie ihn in das Büro ihres Chefs.
    Calvin Baker bot ihm einen Platz an.
    »Was wollen s ie denn noch? Ihre Kollegen haben doch schon alles mitgenommen?«
    Baker wirkte überspannt. Sein Krawattenknoten war gelockert und der oberste Knopf seines weißen Hemdes geöffnet.
    »Ich bin aus einem anderen Grund hier als meine Kollegen. Ich ermittle in einer Mordsache. Herr Baker, kannten Sie einen gewissen Ramon Schändler?«
    Baker setzte sich ihm gegenüber.
    »Jetzt kommen Sie mir auch noch mit Mord. Wie weit wollen Sie denn noch gehen? Wen soll ich denn ermordet haben?«
    Der schlanke Geschäftsmann mit den pechschwarzen Haaren flüchtete sich jetzt in Zynismus. Die unangemessene Lautstärke seiner Antwort zeugte von Nervosität. Joshua zögerte, um seinem Gesprächspartner Gelegenheit zu geben, sich zu beruhigen. Dabei sah er einem aus verchromtem Stahl stilisierten Turner auf dem Schreibtisch zu, wie er vom Magnetismus angetrieben, unermüdlich Saltos schlug. Langsam hob Joshua seinen Kopf und sah Baker wieder in die Augen.
    »Kein Mensch spricht davon. Ich möchte lediglich von Ihnen wissen, ob Sie Ramon Schändler kannten.«
    »Nicht persönlich. Er hat vor kurzem ein erhebliches Aktienpaket erworben. Kurz bevor der Kurs in die Höhe schoss und dann«, Baker stutzte plötzlich, »und dann hat er sie verkauft, bevor sie abstürzten.«
    Baker lehnte sich nach vorne und stützte das Gesicht in seine Hände. Gleich darauf ließ er sich wieder zurückfallen und schüttelte mit dem Kopf.
    »Der muss es gewusst haben«, murmelte Calvin Baker.
    »Was musste er gewusst haben, Herr Baker?«
    Calvin Baker sah Joshua mit einem Gesichtsausdruck an, der Arroganz und Mitleid in sich vereinte.
    »Er wird genau gewusst haben, wann er verkaufen muss, ganz einfach.«
    Die Bewegungen seiner Hände unterstützten jedes seiner Worte. Seine Antwort klang läppisch, als ob er seinem Gesprächspartner einen Zusammenhang erklärte, der vollkommen klar sein sollte.
    Joshua grübelte. Sein Wissen über die Geschehnisse an den Börsen hielt sich in engen Grenzen. Er hätte jetzt gerne Daniel bei sich gehabt. Er bemühte seine Logik und versuchte sich an den Crashkurs seines Kollegen zu erinnern.
    »Aber wieso stürzte Ihre Aktie denn so rasant ab? Das kann doch wohl kaum an Schändler alleine gelegen haben, oder?«
    Baker presste seine Lippen zusammen. Er bewegte ganz langsam seinen Kopf nach hinten. Durch die geöffneten Fenster drang dumpf der Lärm der Straße nach oben.
    »Könnte schon. Wir haben sehr viele Kleinaktionäre. Die sind wie ein Schwarm Vögel auf einer Stromleitung. Ein Schuss und alle fliegen weg. Diesen Schuss könnte Schändler ausgelöst haben, hat er aber nicht.«
    »Was macht Sie so sicher?«
    »Schändler hat bei zwölf verkauft, wir lagen kurz zuvor bei vierzehn. Den Anfang haben also andere gemacht.«
    »Wer könnte das gewesen sein?«
    Baker lachte kurz auf.
    »Denken Sie an die Vögel. Der Kurs wurde durch nichts gestützt. Es gibt von unserer Seite keinerlei Erklärungen dafür. Es war ein Drahtseilakt der Anleger. Schändler wollte vielleicht auch bei vierzehn verkaufen und war nicht schnell genug.«
    Joshua begriff nicht, wieso plötzlich alle diese Aktie wieder loswerden wollten. Daniel hatte ihm erklärt, dass es sich dabei nicht um typische Gewinnmitnahmen handelte, warum auch immer. Er fragte Baker nach seiner Meinung dazu.
    »Es können sehr wohl Gewinnmitnahmen einzelner den Ausschlag gegeben, den Schuss quasi ausgelöst haben. Kleinaktionäre tendieren dazu, ihre Stopp-Loss-Order zu nahe am momentanen Kurs zu setzen. Dadurch lösen sie manchmal, vor allem wenn nicht genügend Substanz dahinter steht, eine Kettenreaktion aus.«
    »Könnten Sie mir das bitte

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