Zugzwang
hoch und fragte, ob sie ihm helfen könne.
»Ja, vielleicht. Frau Gernot sollte mir noch die Termine aufschreiben, an denen Herr Schändler da war. Sie saß aber nicht an ihrem Schreibtisch und ich wollte Herrn Baker nicht noch einmal stören. Muss ich dafür noch mal wiederkommen?«
Joshuas Stimme klang freundlich, fast zart. In seiner Jugendzeit brachte er mit dieser Masche Mädchenherzen zum Schmelzen.
»Das ist kein Problem, ich kann von hier aus nachsehen, einen Moment.« Zufrieden stellte Joshua fest, dass er es noch nicht völlig verlernt hatte.
»Soll ich sie Ihnen ausdrucken? Ich habe allerdings nur die der letzten drei Monate.«
»Danke, das reicht mir.«
Mit zwei Blättern in der Hand verließ Joshua das Gebäude. Für einen kurzen Augenblick überlegte er, mit diesen Unterlagen noch einmal zu Baker zu gehen, versprach sich dann aber wenig davon. Baker würde sich auf den Stress der letzten Tage berufen und sich wieder daran erinnern. Joshua wollte seine Trümpfe nicht vorzeitig ausspielen.
Der Fall bekam erste Konturen. Risse, in die man greifen konnte. Schändler und Baker kannten sich. Viel mehr noch, sie hatten gemeinsame Interessen. Die Frage stellte sich jetzt, wie sie es geschafft hatten, den Kurs der Aktie dermaßen zu beeinflussen. Joshua spürte einen Fehler in seinem Ansatz. Nicht sie haben es geschafft, sondern Schändler. Warum sonst sollte Baker diese Sache nicht alleine gemacht haben? Noch etwas fiel ihm auf. Sie schienen unsicher zu sein. Schändler hätte mühelos mehr als zwei Millionen investieren können. Nach den Ermittlungen seiner Kollegen hätte Schändler locker die Hälfte des Aktienbestandes erwerben können. Oder musste geteilt werden? Joshua fuhr die Auffahrt zur Rheinkniebrücke hoch. Daniel hatte ihm gesagt, Schändler besäße fünf Prozent der BioPharmaca Aktien. Das bedeutete, der gesamte Wert der Aktien lag am Anfang bei vierzig Millionen und auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung bei fast dreihundert Millionen.
Zweihundertsechzig Millionen Euro, Joshua murmelte diese Zahl leise vor sich hin. Es sind schon Menschen für weniger umgebracht worden, sinnierte er. Selbst wenn die Aktien nicht auf dem Höchststand verkauft werden konnten, es würde immer noch reichen. Für mehr als einen. Joshua glaubte den Grund zu erahnen, warum Schändler nur fünf Prozent gekauft hatte. Er durfte nicht mehr erwerben. Es musste Komplizen geben. Die Werbeagentur Schändler, fuhr es ihm durch den Kopf. Der Vorstand um Ansgar Skopje. Leute, die mit Werbung nicht viel zu tun hatten, an der Spitze eines Konzerns der Werbebranche. Er griff zum Handy und wählte die Nummer von Kalle.
»Kalle, bitte tue mir mal einen Gefallen. Versuche herauszubekommen, von welcher Firma Ansgar Skopje kommt.«
Er spürte, wie Kalle grinste.
»Hallo Urlauber. Ja, mir geht es auch gut, danke. Schönen Gruß von Winnie, der steht gerade neben mir. Ich werde die Karten bestellen. Ich rufe dich an, wenn alles klar ist, okay?«
»Okay, danke.«
Joshua drückte auf den roten Hörer und musste schmunzeln. Er wusste genau, dass er sich auf Kalle verlassen konnte. Sein Kollege kam sie öfter mal mit seinen beiden Kindern besuchen oder sie gingen gemeinsam in den Zoo. Die Kinder waren fast im gleichen Alter wie Britt und David und auch die Frauen verstanden sich ausgezeichnet. Marlies konnte nicht nachvollziehen, warum sie nach so vielen Jahren noch ein drittes Kind haben wollten. Karl-Heinz konterte, dass die beiden nun aus dem Gröbsten raus seien und es mal wieder Zeit wurde. Joshua konnte sich diese Sichtweise auch nicht erklären und hatte ihn immer wieder scherzhaft gewarnt. Janine unkte, dass es in ihrer Beziehung vielleicht kriselte und sie sich deshalb für den dritten Nachwuchs entschieden hätten. Zumindest die Tatsache, dass sie seit der Schwangerschaft mit Johanna wieder turtelten wie frisch verliebte Teenager, sprach dafür.
Joshua überlegte, wo er jetzt eigentlich hin sollte. Kalles Anruf würde nicht lange auf sich warten lassen. Eventuell würde er in die falsche Richtung fahren. Joshua steuerte den Rasthof Geißmühle an. Er bestellte sich einen Kaffee und ein überraschend frisches Brötchen. Als er sich damit an einen der Stehtische stellte, wurde er lautstark begrüßt. Werner Verheugen, sein langjähriger Mitstreiter, stand dort und frühstückte ebenfalls. Werner hatte ihn damals in der Dienststelle angelernt. Er hatte eine gesunde rötliche Gesichtsfarbe und sah auch sonst so aus, als
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