Zugzwang
könne er Bäume ausreißen. Er fragte sofort nach der Dienststelle und den ehemaligen Kollegen. Joshua berichtete ihm von Daniel van Bloom, der jetzt an seiner Stelle saß.
»Aber was machst du denn überhaupt so?«
Verheugen druckste zunächst verlegen herum, schließlich gab er an, für eine Detektei zu arbeiten.
»So plötzlich gar nichts mehr zu machen nach fast fünfzig Dienstjahren, nee, das war nichts für mich.«
»Und? Hast du einen spannenden Auftrag?«
Werner lachte. Joshua schien falsche Vorstellungen von dem Beruf zu haben. Die hatte er am Anfang allerdings auch.
»Kann man sagen. Jedenfalls spioniere ich zur Zeit mal nicht untreuen Ehemännern hinterher.«
Werner nahm einen Schluck aus seiner Tasse, Joshua wurde ungeduldig. Geduld hatte Werner früher dauernd von ihm gefordert. Frisch von der Polizeihochschule kommend, meinte Joshua, jeden Fall möglichst einige Stunden später lösen zu müssen. Werner pflegte immer zu sagen, die Spinne läuft auch nicht den ganzen Tag in ihrem Netz hin und her. Dann würde sie vermutlich verhungern.
»Ist eine komische Sache. Die Trabrennbahn Dinslaken hat uns beauftragt. Sie vermuten Wettbetrug. Da hat praktisch das gesamte Publikum aufs falsche Pferd gesetzt. Warum weiß niemand. Ich habe jedenfalls herausgefunden, dass ein Mann aus Duisburg ganz heftig davon profitiert hat. Hat mehrmals Dreierwetten auf Favoriten getätigt und abgesahnt. Das konnte ich deshalb herausfinden, weil dieser Mann an dem Tag für die Beschallungsanlage zuständig war und sich das Personal an ihn erinnerte.«
Joshua rührte leicht gelangweilt in seinem Kaffee.
»Wenn du aus Duisburg kommst, hast du dich aber verfahren, Werner.«
Joshua grinste ihn an und verschlang den Rest seines Käsebrötchens.
»Nein, nein. Der Kerl ist zu Hause nicht zu erreichen. Seine Nachbarin sagte mir, dass er in Düsseldorf arbeitet. Da bin ich halt hingefahren. Riesengroße Werbeagentur. Schändler GmbH & Co. KG. Nie von gehört. Da stehen Autos auf dem Parkplatz, ich kann dir sagen.«
Joshua hustete. Er hatte sich eine Zigarette gedreht und wollte sie gerade anzünden. Noch eine Spur, die zu Schändlers Agentur führte?
»Kannst du mir sagen, worum es da in Dinslaken genau ging?«
»Willst du mir helfen?«
Joshua klärte ihn in groben Zügen über ihren Fall auf. Werner wirkte sehr interessiert. Man musste ihn voriges Jahr praktisch zwingen, in den Ruhestand zu gehen. Seine Frau war vor fünf Jahren verstorben. Kinder hatten sie keine. Dabei könnte man ihn sich sehr gut als liebenswerten Opa vorstellen. Seine ruhige, besonnene Art und die Toleranz und Freundlichkeit, mit denen er seinen Mitmenschen begegnete, hatten Verheugen nicht nur in der Dienststelle sehr beliebt gemacht. In einer pathetischen Rede zu seiner Pensionierung sagte Winnie voriges Jahr, er würde eine große Lücke hinterlassen. Werner Verheugen lebte alleine in einem kleinen Häuschen in Linn. Fast wirkte er so, als beneide er Joshua um seine Arbeit.
»Also gut. Es ging wohl tatsächlich etwas nicht mit rechten Dingen zu an diesem Sonntag. Sie hatten einen übermäßig hohen Anteil an Dreierwetten, das kann ja noch angehen. Das Merkwürdige daran ist aber, so gut wie keine Wette ist auf die Favoriten getätigt worden und die meisten Wetten waren identisch. Auf den Ausgang der Rennen hatte das keinen Einfluss. Es lief wie immer, die Favoriten waren meistens vorne dabei. Geschädigt wurden praktisch auch nur die Wetter selbst, da die Gewinne natürlich auf die wenigen richtigen Wetten ausgezahlt wurden. Da konnte man mit einer ganz normalen Einzelwette auf einen Favoriten seinen Einsatz verzehnfachen und noch mehr.«
Joshua wusste, dass die Frage nach dem w arum müßig war, er stellte sie dennoch. Werner zuckte erwartungsgemäß mit den Schultern.
»Ich weiß es nicht, das soll ich ja gerade herausfinden. Meinst du, es gibt Parallelen zu eurem Fall?«
Joshua wollte gerade antworten, als sich sein Handy meldete. Es war Kalle. Er berichtete ihm von seiner Recherche. Ansgar Skopje kam von einem freien Institut aus Kamp-Lintfort. Sie arbeiteten dort auf dem Gebiet der Hirnforschung. Es war ihnen gelungen, namhafte Neurologen für ihre Dienste zu gewinnen. Sie hatten in letzter Zeit größere Erfolge bei der Bekämpfung von Suchtkrankheiten und sogar der Legasthenie verzeichnet. In Medizinerkreisen wurde ihnen jedoch vermehrt mit Skepsis begegnet.
Joshua wollte das Gespräch gerade beenden, als Kalle sich noch einmal
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