Zukunftsmenue
mit Backmitteln und Fertigbackmischungen gemacht. Da waren alle Zutaten schon drin: Mehl, Salz, Körner oder Ballaststoffe und Emulgatoren. Hochleistungsemulgatoren wie Weinsäureester beispielsweise, die den Teig aufblähen. Und Stabilisatoren, zum Teil als Schimmelschutz.
Wieso gibt man das alles hinein, wenn traditionelles Backwerk ohne all das Zeug ausgekommen ist?
Es gab zwei Aspekte in den 1970er Jahren. Das war die Zeit, als man nicht mehr nur normale Semmeln anbot, sondern ein größeres Sortiment. Es gab auch nach und nach mehr und besondere Brotsorten, für diese Spezialbrote konnte man mehr Geld verlangen. Dann wurden Maschinen gekauft und große Anlagen eingerichtet. Früher machte ein normaler Ortsbäcker noch zweitausend Semmeln am Tag, die Maschine machte auf einmal fünftausend in der Stunde. Dann hat der Bäcker sich Supermärkte gesucht und diese beliefert. Nur musste man für den Erhalt der Maschinen andere Teige machen, und so hat sich die Brotlandschaft komplett verwandelt. Der Bedarf wuchs, und es entstand eine ganze Industrie an Fertigmischungen für Bäcker, das Marketing inklusive.
Worin besteht denn der wesentliche Unterschied zwischen einer handgemachten Semmel und einer Industriesemmel?
Der erste Unterschied ist, sie schmeckt besser, denn eine handgemachte Semmel hat mehr Kruste. Die werden ja nicht mit einer Form gestanzt, sondern mit Mehl gefaltet. Durch die tieferen Latten, also die Spalten, entsteht mehr Oberfläche, und darauf bilden sich beim Backen die meisten Geschmacksstoffe. Der zweite ist, man braucht mehr Zeit. Erst muss der Teig aufgehen, dann wird er geformt, geht wieder und wird erst dann gebacken. Bis zum Backprozess vergehen also mindestens zwei Stunden. Eine Maschinensemmel braucht von der Teigentwicklung bis zum Backen etwa eine Stunde oder weniger. Sie wird geformt, gestanzt, kommt dann in einen Gärraum, in dem eine hohe Temperatur herrscht und die Hefe schnell anspringt. Dann geht es wieder in einen warmen Raum und kurz danach in den Ofen. So kann man das machen. Aber gerade bei Gebäck oder Brot spielt die Zeit eine große Rolle, denn es wird dadurch bekömmlicher. Damit sich Mehl, Wasser und Salz und vielleicht noch Gewürze, Hefe oder Butter miteinander verbinden. Nicht zuletzt gibt es auch einen Unterschied beim Teig. Bei handgemachten
Semmeln nimmt man üblicherweise nur Lecithin und Malz. Lecithin ist ein Emulgator, das Malz wird für den Geschmack verwendet. Darum sind die Semmeln auch recht klein. In der Industrie verwendet man Hochleistungsemulgatoren, die das Volumen der Semmeln verdoppeln. Und dann ist da so viel Luft drin, dass es nach nichts mehr schmeckt.
Du hast in einer industriellen Bäckerei gelernt. Wieso backst du dann heute traditionelles Brot? Gab’s da so etwas wie ein Erweckungserlebnis?
Nach meinem Meisterbrief arbeitete ich bei Nestlé in Frankfurt. Dort wurden Produkteinschulungen für Großbetriebe gemacht, das heißt, man zeigte, wie man die Backmittel auf die Maschinen einstimmt. Damals hatte ich ein interessantes Erlebnis: Ein Bekannter hatte ein Brioche aufgehoben. Das Ablaufdatum war vor zehn Jahren, und es war noch genauso weich wie am ersten Tag. Kein Schimmel, keine Insekten – da kann man sich vorstellen, was da drin ist. Dann begannen die Diskussionen über gentechnisch verändertes Soja. Nestlé verwendete aber genau das. Und da dachte ich mir, da sitzen also die Vorstände und entscheiden, was die Menschen zu essen kriegen: Gentechnik. Also habe ich gekündigt, mir einen Holzofen und eine Mischmaschine gekauft und angefangen, Holzofenbrot zu machen. So wie ich mir das vorstelle.
Wer hat dir das Wissen vermittelt?
Als ich nach der Lehre gereist bin, war ich in der Schweiz, in Frankreich und habe sehr spannende Bäcker kennengelernt. Sehr gute Bäcker, die Holzofenbrot machen. In Österreich gibt es nur ganz wenige, in Deutschland vielleicht ein paar mehr. Und manche von denen backen aus Imagegründen vielleicht noch fünfzig Brote im Holzofen, den Rest aber wie üblich.
Für einen Laien ist die gute Qualität eines Brotes nicht so einfach zu erkennen. Ist nicht auch die Vielfalt der Produkte bei einem Bäcker ein Indiz dafür, ob traditionell gebacken wird oder nicht?
Bei handwerklicher Fertigung schafft man keine achtzig Sorten Brot und Gebäck. Nicht mal dreißig. Ein handwerklicher Bäcker hat nur wenige Produkte, aber die macht er sorgfältig. Am besten erkennt man Qualität aber daran, wenn man eine
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