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Zukunftsmenue

Zukunftsmenue

Titel: Zukunftsmenue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Wiener
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wie ein Archiv mit Holzregalen zugestellt, auf denen alle möglichen Lebensmittel lagerten. Ein ganzes Zimmer voller Konserven, Mehltüten, Flaschen und Einmachgläsern! Ich konnte mir nicht vorstellen, was Frau Lambert damit wollte und wer das alles essen sollte. Was war, wenn die Lebensmittel schlecht wurden? Erst sehr viel später begriff ich, dass Frau Lamberts Lebensmittellager ihre Reaktion auf die Kriegs- und Hungerjahre war.

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    Um Marktpreise zu halten, werden genießbare Lebensmittel vernichtet. Hier: Französische Tomaten auf der Müllkippe.
    Wir können, wollen und müssen nicht zurück zu Frau Lamberts Zeiten, weder zum Hunger noch zum Hamstern von Lebensmitteln. Die europäische Agrarpolitik aber ist nur aus dieser Erfahrung zu verstehen. Gemeinsam beschlossen die europäischen Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg, für die Versorgung der Bevölkerung so viele Lebensmittel zu produzieren, dass kein Europäer mehr hungern müsste, die Bauern ihr Auskommen hatten und Reserven für Missernten oder andere Katastrophen gebildet werden konnten. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden Milliarden an Steuergeldern investiert – erfolgreich: Europa lieferte Lebensmittel im Überfluss, legte Milchseen und Butterberge an. Es vernichtete Tomaten und kippte Äpfel auf die Deponien, um die Preise stabil zu halten. Befeuert wurde damit eine Kultur der Verschwendung, gegen die wir heute kämpfen.

    Dadurch hat unsere Wertschätzung der Nahrung an sich innerhalb weniger Jahrzehnte drastisch abgenommen. Nahrung gibt es im Überfluss, sie ist bezahlbar und daher nichts mehr wert. Bei manchem Stück Fleisch ist nicht mehr zu erkennen, von welchem Tier es stammt. Dem Stück Bergkäse sieht man die Arbeit des Käsers nicht mehr an. Den Wurstaufschnitt kaufen wir in der Großpackung. Bleiben zwei Scheiben übrig, werfen wir sie eben weg. Die ganze Packung war ja so billig. Viel billiger als die Wurst vom Wochenmarkt, die auch so merkwürdig grau und blass aussieht. Mit kräftiger Farbe assoziieren wir Frische und Gesundheit. Dass der Leberkäse mit Farbe angesprüht wird, um eine Kruste vorzutäuschen, die Wurst in der Theke mit Rotlicht angestrahlt wird oder für ein tiefes Eidottergelb den Hühnern das färbende Vitamin Betacarotin zugefüttert wird, ist uns dabei oft nicht bewusst. Hauptsache, es sieht schön aus.
    Aus der Fülle schöpfen
    In meinem Team, in meiner Familie, die mich unterstützt, arbeiten die unterschiedlichsten Menschen. Im Marketing entwerfen sie Etiketten, Brotpapier, Menükarten, testen Lebensmittel und erfinden Namen für unsere Produkte. Andere kümmern sich in der Logistik darum, wie das Buffet wann und womit zu welchem Kunden kommt. Zu unserer Familie gehören
Kellner und Kellnerinnen, Küchenhilfen, Lehrlinge, Bäcker und Restaurantleiter, Köchinnen und Köche, Reinigungskräfte und Geschäftsführer, Spüler, Fahrer, Buchhalterinnen und »Buffetverkäufer und -betreuer« (hoffentlich habe ich niemanden vergessen!). Zu uns gehört aber genauso unsere Steph, die beste Bäuerin der Welt, die für uns altes Gemüse und Obst anbaut. Und Anne, unsere Hühnermutter.
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    »Unsere Bäuerin« Steph baut in Hasenfelde am Rand von Berlin Gemüse, Obst und Kräuter für uns an. Natürlich konsequent ökologisch.
    Eine Gruppe steht mir natürlich besonders nahe, das sind die Köchinnen und Köche. Manche von ihnen arbeiten seit über zehn Jahren an meiner Seite. Ich vertraue ihnen. Sie planen und realisieren die Umsetzung neuer Ideen – meiner und ihrer eigenen –, ob es nun um einen Kräutergarten, einen Kochkurs für Kinder oder einen neuen Räucherofen geht.
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    Anne, unsere »Hühnermutter«. Mit ihr beobachte ich gern unsere verschiedenen Hühnerrassen. Eine schöner als die andere!
    Tino zum Beispiel ist einer meiner langjährigsten Mitarbeiter. Er ist Küchenchef in meinem Restaurant im Hamburger Bahnhof in Berlin. Wenn ich etwas Spannendes entdecke, höre oder sehe, tausche ich mich gern mit ihm aus. Und er ist einer, der mit Vorliebe ganze Tiere verarbeitet. Das macht natürlich mehr Mühe, als nur bestimmte, vorgefertigte Teile vom Tier zu kaufen. Es erfordert auch mehr Kreativität und Können. Es ist aber das einzig Sinnvolle.

    Ich bin oft selbst überrascht, was meinen Köchen alles einfällt. Manchmal drücken sie mir auf dem Weg nach Hamburg, wo ich mit meinem Mann lebe, eine Kleinigkeit zum Probieren in die Hand. Aus so einem »Gläschen« entstand der folgende kurze

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