Zukunftsmenue
aufwendig dekorieren, mit Pinzette und Pipette Lakritzschaum an Sesamkruste montieren. Ich bewundere meine Kollegen, die Perfektionisten, die originellen Ausprobierer, die Maler und Architekten der Küche. Nur: Für mich persönlich ist das nichts.
Doch was genau bedeutet Qualität eigentlich? Die Exklusivität eines Produkts kann es nicht sein und auch nicht der Aufwand, der für die Zubereitung nötig ist.
Es gibt einen anderen Ansatz, der besagt, dass die Qualität eines Essens auf dem Küchenbrett entstehen sollte. Ich bereite also etwas aus ein paar köstlichen Grundprodukten zu, und entweder es schmeckt oder es schmeckt nicht – je nachdem, ob ich eine gute Köchin bin und mein Handwerk verstehe oder eher nicht so gut kochen kann. Aber auch das reicht nicht so ganz.
Bei Qualität geht es in erster Linie um die Herkunft eines Produkts. Es spielt also eine große Rolle, wie der Weizen, der Reis, das Obst oder das Gemüse gewachsen ist oder wie ein Tier gehalten wurde, wie die Ernte ablief und der Transport.
In den Dörfern meiner Kindheit gingen wir in den Sommern bei den Nachbarn Tomaten betteln. Denn wir hatten schnell raus, dass es Riesenunterschiede bei den prallen runden Früchten gab, und jeder Nachbar hatte andere Sorten. Jede Tomate sah anders aus – rosa, violett, karmin- oder zinnoberrot, orange und fast schwarzgrün. Manche waren klein wie Murmeln, andere länglich und groß, und wieder andere sahen aus wie Herzen oder überdimensionale Raupen. Manche zergingen nach dem ersten Bissen durch die relativ feste Haut leicht und süß auf der Zunge. Andere waren so groß, dass zwei Kinderhände sie nicht ganz fassen konnten. Aber alle Sorten schmeckten so frisch und fruchtig, dass man einfach nicht aufhören konnte zu essen. Später lagen in den Auslagen der Gemüseläden nur noch rote schnittfeste Paradeiser, die aussahen, als kämen sie von der Stange, und die auch genauso langweilig schmeckten.
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Pastinaken waren bis ins 18. Jahrhundert eines der wichtigsten Gemüse. Erstaunlich, dass sie bei uns in Vergessenheit gerieten. Erst der ökologische Gartenbau hat dieses wunderbar würzige Wurzelgemüse wiederbekannt gemacht.
Mit den Äpfeln im Herbst war es das Gleiche. Auf der Streuobstwiese sammelten wir das Fallobst von Herrenäpfeln und Renette und aßen schon an Ort und Stelle so viel wir konnten. Es gibt auf der Welt schätzungsweise etwa 30.000 Apfelsorten, die sich alle in Aussehen und Aroma unterscheiden. Allein in Deutschland sind es 2.000. Davon werden aber lediglich 25 Sorten im Erwerbsobstbau kultiviert. Und nur 7 gelangen regelmäßig in den Handel: Boskop, Cox Orange, Golden Delicious, Elstar, Gloster, Jonagold und Granny Smith.
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Roter Calville. Calville-Äpfel zählten im 19. Jahrhundert zu den beliebtesten und edelsten Apfelsorten. Heute gibt es sie kaum noch zu kaufen, einige Züchtungen sind vom Aussterben bedroht.
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Die Renetten sind eine große Gruppe von Kulturäpfeln. Geläufig ist noch die Cox Orangenrenette. Hier im Bild die Ananasrenette, eine klassische alte Hausgartensorte.
Hunderte unserer Kulturpflanzen sind binnen weniger Jahrzehnte verloren gegangen oder aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden. Und damit ein bedeutsamer Teil unseres kulturellen Erbes. Dabei ist die Biodiversität unsere wichtigste Lebensgrundlage überhaupt. Denn Pflanzen und Tiere, die sich während der letzten zwölftausend Jahre den vielen veränderten Bedingungen wie beispielsweise dem Klima und seinem Wandel anpassen konnten, sichern die Ernährung der immer weiter wachsenden Weltbevölkerung. Im Übrigen ist die Natur Vorbild für viele »neue« Wirkstoffe in Medikamenten, so wie die Pilze für das Penicillin oder Meeresschwämme, die zurzeit in der Aids-Forschung eine wichtige Rolle spielen. Die Natur liefert uns aber auch immer wieder Vorbilder für innovative Lösungen in der Technik. Wenn wir weiterhin die Sorten- und Artenvielfalt verdrängen, berauben wir uns der Möglichkeit, von der Natur zu lernen und die »Dienstleistungen« eines intakten Ökosystems, die uns so selbstverständlich
erscheinen, weiterhin zu nutzen. Dazu gehören die frische und saubere Luft, sauberes Wasser, die CO 2 -Speicherung in Wäldern, Mooren, Böden und Weltmeeren.
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Streuobstwiesen geben heute einen Hinweis darauf, dass hier Obstbau ohne Kunstdünger und chemische Pflanzenbehandlung betrieben wird. Ihren Namen haben sie von der früheren Mehrfachnutzung: Heu und
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