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Zukunftsmenue

Zukunftsmenue

Titel: Zukunftsmenue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Wiener
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Geschmack beeinflusst wird
    Die Geschmackskultur in unserer Gesellschaft ist extrem widersprüchlich. Einerseits präsentiert die Nahrungsmittelindustrie uns immer intensivere sinnliche Eindrücke, zum Beispiel bei Produkten, denen Aromastoffe und Geschmacksverstärker zugesetzt wurden (aber auch, weil wir sie ohne Aromastoffe sicher nicht essen würden). Andererseits haben viele Kinder immer weniger Möglichkeiten, Geschmackskultur zu lernen. Das fängt schon in den Familien an, in denen eher selten gemeinsam gekocht wird und ein gemeinsames Essen oder so etwas wie Tischkultur eine untergeordnete Rolle spielt. Stattdessen werden die Kinder mit synthetischen, im Labor hergestellten Stoffen geflutet. Ihre Geschmackssinne verkümmern durch standardisierte Fertiggerichte, die im Backofen oder in der Mikrowelle erhitzt werden. Das ist natürlich einfacher, als sich an den Herd zu stellen und selbst etwas zu kochen. Aber wir wissen dann nicht mehr, was wir da eigentlich zu uns nehmen. Außer wir lesen genau die Liste der Inhaltsstoffe durch und können mit E-Nummern und Begriffen wie Glukose- oder Fruktosesirup, Glutamat, Zitronensäure, Emulgatoren, Antioxidationsmittel etc. etwas anfangen. So schwindet das Wissen, wie ich aus ein paar frischen Zutaten eine Suppe zubereite oder wie ich ein lockeres Brot auch ohne Kunstsauerteig und chemische Triebmittel backen kann.
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    Kinder an ein gesundes Essen heranzuführen ist eines meiner wichtigsten Anliegen.
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    Tafelrunde mit Kindern: Mit positiven Anregungen fördert die Sarah-Wiener-Stiftung das Ernährungsbewusstsein.
    Die Geschmacksmonotonie nimmt auf schleichende Weise zu. Heute gibt es eine unüberschaubare Zahl von Nahrungsmitteln, die nach einheitlichen Standards des Massengeschmacks designt werden. Der Handel bringt nur den gefragtesten Geschmack, der die höchsten Verkaufszahlen bringt, auf den Markt.
    Aus meiner Stiftungsarbeit, über die ich unten mehr erzählen werde, kenne ich Kinder, die noch nie eine frisch zubereitete Mahlzeit gegessen haben. Sie leben aus Tüten und von Fastfood. Die Mikrowelle ist das einzige Küchengerät, mit dem sie umgehen können. Im Geschirrschrank gibt es nur Mikrowellengeschirr, keine Suppenterrine oder Bratenplatte. Die traditionelle Essgemeinschaft ist der Vereinzelung in Form von »Jedem seinen eigenen Pizzakarton« gewichen. Ich habe auch Teenager kennengelernt, die nicht wussten, dass Pommes frites aus Kartoffeln gemacht werden, und die davon überzeugt waren, dass ein Hamburger nur industriell hergestellt werden kann. Ganze Generationen begeben sich also durch ihr Nicht-Wissen in Abhängigkeit zur Nahrungsmittelindustrie mit ihren stark verarbeiteten Speisen und ihrem Einheitsgeschmack.

    Geschmack lernt ein Kind von klein an, so wie das Laufen und das Sprechen. Wenn wir unsere Kleinkinder aber nur mit dem immer gleich schmeckenden pasteurisierten Breichen füttern, um dann zu normierten Fischstäbchen, Pizzen und sterilen Salatsaucen überzugehen, kann man sich vorstellen, wie sich das auf ihr Geschmackszentrum auswirkt.

    Wir entwickeln lebenslange Vorlieben für die Dinge, die wir in unserer Kindheit gegessen haben. Kinder, die mit künstlichen Aromastoffen
groß geworden sind, werden diese immer dem natürlichen Geschmack von Gemüse, Obst, Brot und anderen Grundnahrungsmitteln vorziehen. Am Ende geht ohne Fertigsauce oder Ketchup gar nichts mehr.

    Welche Wirkung diese Geschmackslüge auf unseren Organismus hat, ist bis heute wenig bis gar nicht untersucht. Sicher ist jedoch, dass die Kinder auf diese Weise kein natürliches Verhältnis zu ihrer Nahrung entwickeln können.

    2007 habe ich mit einigen ideellen Mitgründern die Sarah-Wiener-Stiftung c ins Leben gerufen. Die Stiftung hat es sich zur Aufgabe gemacht, Lehrer und Erzieher weiterzubilden, damit sie Kindern an Schulen und Kindergärten das Kochen beibringen können. Wir kümmern uns um den didaktischen Aufbau, um die Informationen und die Rezepte und bemühen uns um Sponsoren für die Lebensmittel und Küchengeräte. Wir organisieren aber auch für einen Teil unserer Kochkinder Bauernhoffahrten, damit sie sehen und lernen, woher unsere Lebensmittel kommen und wie sie entstehen. Denn ich bin fest davon überzeugt, dass es keine bessere Prävention gegen Ernährungskrankheiten gibt, als kochen zu können und beurteilen zu können, was man isst. Und einer Forsa-Umfrage zufolge haben Kinder sogar Spaß daran. 70 Prozent der befragten Kinder zwischen 8 und

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