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Zukunftsmenue

Zukunftsmenue

Titel: Zukunftsmenue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Wiener
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Schuster: Warum fragst du das? Glaubst du, ich werde irgendwann nicht mehr mit der Hand arbeiten? Ich werde nie mit der Maschine melken. Weil wir eines Tages sowieso wieder ohne Maschinen arbeiten werden.

    Wieso glaubst du das?

    Weil ich es weiß. Weil wir unsere Ansprüche und unsere Verschwendung reduzieren müssen. Weil wir in Zukunft nicht mehr so viel Energie, Strom und Technik zur Verfügung haben werden – weil das alles noch sehr viel teurer wird. Die Bauern, die auf große Maschinen umgestellt haben, jammern jetzt schon alle. Die haben sich verschuldet und sind tief versunken in Schulden.

    Jetzt würde aber mancher sagen, wir können doch das Rad der Zeit nicht mehr zurück drehen und die großen Massentierställe abschaffen. Wir haben doch Millionen von Menschen zu ernähren.

    Das ist wieder so ein Klischee, ich höre immer nur Klischees. Wir sind als Kleinbauern weltweit vernetzt, daher weiß ich: Jede Region der Welt kann sich selbst ernähren, solange man uns überleben lässt. Wir Kleinbauern sind die Zukunft. Ich vertraue da ganz auf das, was der weise König Salomo gesagt hat: »Was schon einmal war,
kommt wieder. Und was jetzt ist, wird es wieder geben.« Also, wir drehen das Rad nicht zurück. Wir gehen weiter. Und: Wir müssen gute Vorbilder sein. Sarah, schau mal, diese jungen Menschen, die hierher kommen l – ich habe sie nicht gebeten, sie sind von selbst gekommen. Sie arbeiten hier aus vollem Herzen mit. Weil sie an etwas glauben. An die Zukunft nämlich.
    Bild 56
    Mit Willy Schuster auf dem Mistkarren. Seine absolut durchdachte, einfache Lebensweise hat mich tief beeindruckt.
    Wenn wir sagen, Kleinbauerntum ist die Landwirtschaft der Zukunft, müssten dann nicht alle Menschen wieder auf dem Land leben?

    Es werden schon einige oder viele wieder aufs Land ziehen. Der »City exodus« hat schon begonnen, oder die »Reruralisation«, wie es andere nennen. Immer mehr Menschen weltweit wollen wieder Selbstversorger, autark usw. werden. Aber es geht im Kern viel mehr darum, wieder auf andere Werte aufzubauen. Gier und Produktivismus sind Vergangenheit – die Zukunft ist Vertrauen und Teilen. Liebevoll sein mit anderen.

    Als ich mit Willys Frau Lavinia Käse, Quark und Sahne gemacht und davon gekostet hatte, war ich überrascht und zugleich erschüttert. Diesen Geschmack nach voller, guter Milch hatte ich Jahrzehnte lang nicht mehr auf der Zunge. Ich war so erschüttert, weil mir schlagartig klar geworden war, was ich in den letzten vierzig Jahren verloren habe. Und dass ich, wenn ich diesen Ort hier verlasse und zurück fahre nach Deutschland oder Österreich, diesen Geschmack nicht mehr finden werde, weil ich keinen einzigen Bauern kenne, der mir unverarbeitete Milch oder Sahne liefert.
    Das macht mir aus zweierlei Gründen Angst. Zum einen, weil ich jetzt fünfzig bin und mich erinnere, dass es in meiner Kindheit noch kleinbäuerliche Strukturen gab wie in Rumänien. Und zum Zweiten, weil jetzt Kinder heranwachsen, die nichts anderes kennen als H-Milch und stark verarbeitete Lebensmittel, und deswegen nicht mehr wissen, wovon wir reden. Wenn wir die Welt retten wollen, müssen wir zuallererst den Genuss retten.
    Auf uns kommt es an!
    Ich denke oft darüber nach, dass mir aufgrund meiner privilegierten Position als Köchin, die sich ausschließlich mit Kochen, Lebensmitteln und dem Anbau beschäftigen kann, besonders deutlich wird, was schief läuft mit unserer Ernährung. Das treibt mich an, mit vielen anderen Mitstreitern, Wissenschaftlern, Bauern und kritischen Bürgern für mein Anliegen zu kämpfen. Habe ich als »»Medien-Köchin«, die in der Öffentlichkeit eher unverdient eine Stimme geliehen bekommen hat, nicht mehr zu sagen als »Hier fehlt noch etwas Salz«?
    Mit unserem Verhalten und unserem Konsum gestalten wir unsere Welt mit, und um unsere Interessen müssen wir uns selbst kümmern. Wir brauchen eine Lobby der arbeitenden Mütter und Väter, die ihre Kinder gut ernähren möchten. Wir müssen selbst an Risiken und Gefahren krank machender Systeme und Nahrungsmittel denken. Wir müssen Druck machen, wenn wir wollen, dass Politik und Wirtschaft alternative ökologische Forschungsprojekte voranbringen und dass es unabhängige Forschungen zu Kreuzwirkungen von Insektiziden, Zusatzstoffen und vielem anderen mehr geben soll.
    Je genauer wir hinsehen und je gezielter wir hinterfragen, desto weniger können wir manipuliert werden. Wir haben es in der Hand, denn wir sind viele – und

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