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Zum ersten Mal verliebt

Titel: Zum ersten Mal verliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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Tanzenden zuzusehen. Als die wirbelnde Menschenmenge eine kurze Pause einlegte, erspähte sie für einen Augenblick Kenneth Ford am anderen Ende des Saales.
    Rillas Herz machte einen kleinen Sprung. Also war er doch gekommen. Sie war davon ausgegangen, dass er nicht kommen würde, was ihr natürlich völlig gleichgültig war.
    Ob er sie sehen würde? Ob er sie wohl beachten würde? Natürlich würde er sie nicht zum Tanz auffordern. Das brauchte sie sich nun wirklich nicht zu erhoffen. Er hielt sie ja immer noch für ein Kind. »Spinne« hatte er sie genannt, als er abends mal in Ingleside gewesen war. Es war noch keine drei Wochen her. Sie hatte hinterher deswegen in ihrem Zimmer geweint und ihn dafür gehasst. Da machte ihr Herz wieder einen Sprung, als sie sah, dass er sich in Bewegung setzte und in ihre Richtung steuerte. Kam er etwa zu ihr? Kam er? Kam er wirklich? Ja, er kam! Er wollte zu ihr. Er stand neben ihr, und er schaute auf sie herab mit einem Blick, den Rilla noch nie in seinen dunklen Augen gesehen hatte. Oh, das war fast zu viel für sie! Und alles ging weiter wie bisher: Die Tänzer drehten sich im Kreis, diejungen, die keine Partnerin fanden, lungerten im Pavillon herum, Pärchen hockten schmusend draußen auf den Felsen. Und niemand schien das überwältigende Ereignis zu bemerken!
    Kenneth war ein großer, sehr gut aussehender junger Mann und hatte eine unglaublich lässig-charmante Art, gegen die alle anderen Jungen steif und plump wirkten. Er galt als ungeheuer klug und verbreitete einen Hauch von Großstadt und Universität. Allerdings hatte er auch den Ruf eines Herzensbrechers. Aber der wurde ihm wahrscheinlich angedichtet, weil er so eine anregende, samtweiche Stimme besaß, die bei jedem Mädchen Herzklopfen hervorrief, und noch dazu eine ganz gefährliche Art zuzuhören, so, als ob sein weibliches Gegenüber ihm genau das sagte, wonach er sich sein Leben lang gesehnt hatte.
    »Bist du Rilla-meine-Rilla?«, fragte er leise.
    »Ja, bin iss«, sagte Rilla und hätte sich im selben Augenblick am liebsten von den Felsen gestürzt oder in Luft aufgelöst.
    Als Rilla noch ein kleines Kind war, hatte sie die Angewohnheit gehabt zu lispeln. Aber mit der Zeit hatte sich das gelegt. Nur wenn sie aufgeregt war oder sich anstrengen musste, kam diese Neigung wieder durch. Dabei hatte sie schon ein Jahr lang nicht mehr gelispelt. Und jetzt, ausgerechnet in diesem Augenblick, als sie sich nichts sehnlicher wünschte, als endlich erwachsen und intelligent zu erscheinen, da musste sie lispeln wie ein Baby! Es war zum Aus-der-Haut-Fahren! Sie war den Tränen nahe. Gleich würde sie losflennen, ja, losflennen. Wenn Kenneth doch nur gehen würde, am besten wäre er gar nicht erst hergekommen! Die Party war verdorben. Der Spaß war ihr gründlich vergangen.
    Dabei hatte er sie »Rilla-meine-Rilla« genannt und nicht »Spinne« oder »Kindchen« oder »Kleines« so wie sonst, falls er sie überhaupt beachtet hatte. Dass er sie jetzt mit Walters Kosenamen ansprach, nahm sie ihm kein bisschen übel. Es klang so schön mit seiner leisen, zärtlichen Stimme und der winzig kleinen Betonung auf »meine«. Es wäre so schön gewesen, wenn sie sich nicht so schrecklich blamiert hätte. Sie wagte nicht aufzusehen, bestimmt lachte er sie aus. Sie hielt den Blick gesenkt. Ihre langen dunklen Wimpern und ihre schimmernden Augenlider wirkten bezaubernd und herausfordernd.
    Kenneth dachte bei sich, dass Rilla Blythe auf dem besten Wege war, das schönste Mädchen von Ingleside zu werden. Wenn sie doch bloß aufsehen würde, damit er noch einmal diesen ernsten, fragenden Blick erhaschen könnte. Sie war wirklich die Hübscheste auf der ganzen Party, kein Zweifel. Was sagte er da? Rilla glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. »Willst du mit mir tanzen?« »Ja, will ich«, sagte Rilla. Dabei achtete sie mit solcher Entschlossenheit darauf, nur ja nicht zu lispeln, dass es fast wie ein Ausruf klang. Wieder surrte es in ihrem Kopf. Wie dreist das klang, wie fordernd, als ob sie sich ihm geradezu an den Hals werfen wollte! Was sollte er bloß von ihr denken? Warum mussten solche Missgeschicke denn ausgerechnet immer dann passieren, wenn sie sich von ihrer schönsten Seite zeigen wollte?
    Kenneth zog sie mit sich auf die Tanzfläche.
    »Eine Runde Hüpfen wird mein angeknackster Knöchel wohl mitmachen«, sagte er.
    »Ja, wie geht es denn deinem Knöchel?«, fragte Rilla. Konnte ihr denn wirklich nichts Klügeres einfallen! Sie

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