Zum ersten Mal verliebt
Kind, das er höchstens einmal neckte, wenn überhaupt. Und sie konnte diese Ethel Reese nicht ausstehen. Nur, wieso sollte die denn gleich unter Kenneth Fords Würde sein, bloß weil sie ein Mädchen vom Lande war? Also wirklich, diese Mary entwickelte sich anscheinend immer mehr zum Klatschmaul und hatte nur noch eins im Kopf, nämlich, wer mit wem nach Hause ging.
Unterhalb vom Traumhaus war eine kleine Landungsbrücke, wo zwei Boote befestigt waren. Eines der Boote wurde von Jem Blythe gesteuert, das andere von Joe Milgrave, der sich mit Booten bestens auskannte und damit nicht ungern vor Miranda Pryor angab. Sie segelten den Hafen hinunter um die Wette und Joes Boot gewann. Von allen Seiten kamen nun Boote herbei und von überall drang Lachen herüber. Der große weiße Leuchtturm von Four Winds war hell erleuchtet und oben blitzte das Leuchtfeuer mit jeder Umdrehung auf. Eine Familie aus Charlottetown, Verwandte des Leuchtturmwächters, verbrachte den Sommer dort und hatte alle jungen Leute aus Four Winds, Gien St. Mary und Overharbour zu der Party eingeladen. Als Jems Boot unterhalb des Leuchtturms an Land schwankte, riss Rilla sich verzweifelt die Schuhe von den Füßen und zog hinter Miss Olivers schützendem Rücken ihre Silberschuhe über. Ein Blick hinüber zu den felsigen Stufen zum Leuchtturm hoch hatte genügt, um festzustellen, dass dort überall Jungen herumstanden und alles mit Lampions erleuchtet war. Eins stand fest: In den Trampelschuhen, mit denen sie hergekommen war, würde sie da nicht hinaufmarschieren! Die Stöckelschuhe drückten ganz erbärmlich, aber niemand schöpfte Verdacht, als Rilla lächelnd die Treppe hinaufhüpfte, mit ihren leuchtenden dunklen Augen und dem fragenden Blick und ihren zarten runden Wangen, die sich sichtlich röteten. Kaum war sie oben angekommen, wurde sie auch schon zum Tanzen aufgefordert, und im nächsten Augenblick waren sie in dem Pavillon, der auf der Seeseite des Leuchtturms eigens für Tanzpartys erbaut worden war. Es war ein entzückender Platz, überdacht von Tannenzweigen und geschmückt mit Laternen. Darunter lag das glitzernde Meer, links die Kämme und Mulden der Sanddünen im Mondlicht, rechts die Felsküste mit ihren pechschwarzen Schatten und kristallenen Buchten. Rilla und ihr Partner mischten sich unter die Tanzenden. Rilla war ganz hingerissen. Was für eine bezaubernde Musik Ned Burr aus Upper Gien seiner Geige entlockte! Es klang wirklich wie die Wunderflöten aus dem alten Märchen, die alle, welche die Musik hörten, zum Tanzen verführten. Wie kühl und frisch der Wind vom Golf her blies. Wie hell und wunderbar der Mond herabschien! Das war das Leben. Ein aufregendes Leben! Rilla hatte das Gefühl, als hätten ihre Füße und ihre Seele Flügel bekommen.
Der Pfeifer spielt sein Lied
Rillas erste Party war ein großer Erfolg, zumindest sah es zunächst so aus. So viele junge Männer wollten mit ihr tanzen, dass sie mitten im Tanz den Partner wechseln musste. Ihre Silberschuhe tanzten fast wie von selbst, und obwohl ihr die Zehen weh taten und sie Blasen an den Fersen bekam, ließ Rilla sich davon nicht beeindrucken. Nur Ethel Reese fuhr einmal störend dazwischen, als sie Rilla aus dem Pavillon winkte, nur um sie mit süßlichem Lächeln darauf hinzuweisen, dass ihr Kleid hinten auseinander klaffen würde und der Volant einen Fleck hätte. Rilla eilte daraufhin entsetzt in ein Zimmer, das vorübergehend als Ankleideraum für die jungen Damen diente, und stellte fest, dass der »Fleck« ein winziger Grasfleck war und der »Riss« nichts weiter als ein Häkchen, das sich gelöst hatte. Irene Howard machte es ihr wieder zu und bedachte sie mit ein paar gönnerhaften Komplimenten. Rilla fühlte sich geschmeichelt. Irene war neunzehn und schloss sich anscheinend gern jüngeren Mädchen an. Um vor ihnen die große Dame zu spielen, wie gehässige Zungen behaupteten. Doch Rilla war begeistert von Irene und ließ sich gern von ihr bemuttern. Irene war hübsch und elegant gekleidet. Sie konnte geradezu göttlich singen und nahm jeden Winter in Charlottetown Gesangsunterricht. Sie hatte eine Tante in Montreal, die ihr wunderbare Kleider schickte. Es hieß, sie hätte eine traurige Liebesaffäre gehabt. Niemand wusste Genaueres, aber gerade das machte sie so interessant. Für Rilla waren Irenes Komplimente die Krönung des Abends. Beglückt lief sie zurück zum Pavillon und verweilte einen Augenblick am Eingang im Schein der Laternen, um den
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