Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit
einer Handbewegung alle weiteren Fragen weg. »Das ist jetzt alles völlig gleichgültig. Ich möchte auch nicht, daß in unserem Scheidungsprozeß schmutzige Wäsche gewaschen wird. Beiderseitiges Verschulden, auf das möchte ich hinaus. Bitte, schreib ihr in diesem Sinne. Die Adresse lasse ich dir morgen vom Büro aus durchtelefonieren.«
Sternberg trat auf ihn zu, packte ihn bei der Schulter. »Viktor, willst du es dir nicht noch einmal überlegen? Mach dich jetzt nicht zum Heiligen. Jedem kann einmal etwas passieren.«
»Nein«, schrie Viktor ihn an, »ich will es mir nicht mehr überlegen, hörst du? Die Scheidung soll so schnell wie möglich stattfinden.«
»Na schön.«
Bis spät in die Nacht hockten sie noch zusammen, tranken, drehten Worte im Mund, kauten immer das gleiche wieder.
»Du gefällst mir nicht«, sagte der Freund zum Abschied.
»Ich gefalle mir selber nicht«, antwortete Viktor. »Aber ich muß es jetzt durchstehen.«
»Außerdem würde ich aus dieser Wohnung ausziehen«, meinte Sternberg. »Da erinnert sich doch jedes Möbelstück an Laura, jeder Teller, jeder Fetzen Tapete.«
Viktor sah ihn böse an. »Du bildest dir wohl ein, ich liebe sie noch immer?«
»Ja, das bilde ich mir ein, Viktor.«
»Du irrst dich«, sagte er und schob ihn zur Tür hinaus. »Ich bin fertig mit ihr.«
Unten hörte er Sternbergs Wagen wegfahren. Er war allein. Im Schlafzimmer warf er sich angezogen auf die eine Hälfte des Ehebetts und starrte zur Decke. Ein Haus wollte ich bauen, fünf Kinder wollte ich haben, Leben wollte ich um mich haben, Freude, Liebe … Ehescheidung Riffart gegen Riffart, das blieb übrig davon. Und ihre letzten Worte: »Du wirst es nicht glauben, aber ich liebe dich, Viktor!«
Alles Lüge, Lüge und nochmals Lüge.
»Einmal wirst du wissen, wen du mehr liebst, mich oder Viktor.«
Laura mußte oft an diesen Satz denken. Auch jetzt, oder gerade jetzt, wo sie mit Richard zum erstenmal ins Wochenende gefahren war.
Und wenn eine Frau mit einem Mann ins Wochenende fährt, dann ist doch alles klar, nicht wahr?
Die Nacht war längst über den See hereingebrochen. Laura und Richard lehnten am Bootssteg, nebeneinander. Einen langen, gemeinsamen Tag hatten sie hinter sich. Sie waren geschwommen, gesegelt, sie hatten gegessen und sich sehr viel aus ihrem Leben erzählt.
Jetzt schwiegen sie.
Ich bin frei, dachte Laura. Die Scheidung läuft schon. Ich habe den Brief in der Tasche. Scheidungssache Riffart gegen Riffart. Trennung auf freundschaftlicher Basis, kein Aufsehen, kein Skandal. Ein kurzer Prozeß.
Und sie war schon dabei, sich an einen anderen Mann zu gewöhnen …
»Wir können heiraten, sobald du willst, Laura.«
Heute nachmittag war dieser Satz gefallen.
Dabei waren sie in letzter Zeit wie Freunde miteinander umgegangen. Sie war seit jener Nacht nie mehr seine Geliebte gewesen. Sie war ihm dankbar dafür, daß er es nicht forderte.
Sie wußte, warum er es nicht tat: Er wollte ihr Zeit lassen. Es war, als spürte er, daß sie sich noch mit Viktor verbunden fühlte.
Es gab tausend Gelegenheiten, da dachte sie: Jetzt hätte Viktor jenes getan. Jetzt hätte er gelacht, geblinzelt, sie gestupst oder geküßt.
Die unsagbare Vertrautheit einer Ehe – würde sie das bald wieder erleben? Würde sie dann Viktor endgültig vergessen?
Drüben am anderen Ufer erloschen immer mehr Lichter. Ein silberner Streifen zog sich quer durch den See. Wildenten flatterten auf. Und ganz in der Nähe kicherte ein junges Mädchen. Und ein junger Mann antwortete mit einer merkwürdig heiseren Stimme.
»Wird's dir nicht zu kühl, Laura?« fragte Richard nach langer Pause.
»Doch«, sagte sie und drehte ihm ihr Gesicht zu.
Er küßte sie sanft auf den Mund. Und sie gab den Kuß ebenso sanft zurück. Sie lachten sich an. Er legte den Arm um sie, und sie gingen nebeneinander den Kiesweg hinauf zum Hotel.
Die Erinnerung an eine Nacht, in der sie sich gehört hatten – war das genug für ein Leben? Sie mochte Richard. Sie mochte vieles an ihm. Aber es gab auch Augenblicke, da war er ihr fremd. Und es gab Augenblicke, da verglich sie ihn mit Viktor. Und es gab entsetzliche Stunden, wo sie allein war und sich fragte: Werde ich in der Lage sein, ihn glücklich zu machen? Wird er mich glücklich machen?
Der Hotelportier reichte ihnen zwei Schlüssel mit verschiedenen Nummern. Er verzog keine Miene, obwohl er sich bestimmt seinen Teil dachte. Wahrscheinlich vermutete er ein Abenteuer, ein sehr diskretes,
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