Zum Glueck ein Poerßenel-Trainer
Seitdem hatte ich mir keine neuen Schminksachen zugelegt. In Koproduktion versuchten Steffi und ich nun gemeinsam auf mein sonst natürliches, sommersprossiges Gesicht ein edles Abend-Make-up zu zaubern und selbst David Copperfield war uns nun meilenweit unterlegen. Abgesehen vom hinreißenden Make-up knetete und diffuserte ich meine Locken zu einer Pretty-Woman-Mähne, die schon so manchem Manne den Atem geraubt hatte. Dafür würde es heute Abend Komplimente hageln, dessen war ich mir sicher. Susi war früher zwar die Ballkönigin, aber ich durfte die schönste Haarpracht an der Schule mein Eigen nennen. Jeder, der nicht wusste, wie lästig Locken sein konnten, beneidete mich um meine Lockenmähne. Mir fiel wieder der Nachmittag ein, an dem Steffis Mutter festgestellt hatte, dass Susi, Steffi und ich Kopfläuse hatten. Auch die Prozedur, die wir über uns hatten ergehen lassen müssen, werde ich im Leben nicht vergessen. Erstens stinkt Goldgeist bestialisch, aber das Entfernen der Nissen mittels eines Kammes, der zwischen den einzelnen Zinken praktisch keinen Zwischenraum besaß, war eine ungeheuerliche Folter. Das brachte mich damals auf die eindrucksvolle Idee, mir meine Haare selber abzuschneiden, und zwar mit Steffis stumpfer Bastelschere, woraufhin meine Mutter etwa zwei Wochen lang überlegte, Steffis Eltern zu verklagen und mich in ein Erziehungsheim zu stecken. Allein meinem Vater hatte ich es zu verdanken, dass Steffi nicht heute noch im Knast schmort und, dass ich zu Hause wohnen bleiben durfte. Er schwafelte damals seinen Lieblingssatz, nur diesmal an meine Mutter gewandt: „Vielleicht hat sie sich ja etwas dabei gedacht?“ Und ob!
„Fertig!“, flötete ich und war inzwischen so müde, dass mir ein bequemer Couchabend vor der Glotze weit angenehmer erschien als ein Date im La Sila. Aber gut, ich hatte zugesagt, jetzt musste ich da durch. Steffi beäugte mich von oben bis unten.
„Bist schon ́ne echt heiße Schnitte, aber willste in Hauspantoffeln los oder wie?“, deutete sie auf meinen Fashion-Fauxpas. Ach ja, die schwarzen Lackpumps hatte ich ganz vergessen. Die waren zwar alles andere als bequem, aber das waren die einzigen Schuhe, die mit meinem restlichen Outfit harmonisieren würden. Ich kramte sie unter Steffis Bett hervor, entstaubte sie und schlüpfte hinein. Oh Gott, waren die nach dem letzten Tanzabend etwa noch enger geworden? Das würde bestimmt Blasen an den Füßen geben. Noch einen abschätzenden Blick später schnalzte Steffi nun anerkennend mit der Zunge und hauchte: „Hey Baby, wenn ich nicht schon wund wäre...„
„Vielleicht ein anderes Mal, Honey...“, säuselte ich sinnlich zurück. Ein Blick vor die Haustür ließ mich wissen, dass es in Bälde regnen würde. Der Himmel hing voll schwarzer Wolken und ich konnte den aufkommenden Regen schon förmlich riechen. Abendliche Wolkenbrüche hatte die Wetterfee im Radio schon den ganzen Tag prophezeit. Und sie sollte Recht behalten (die Kuh!). Ich suchte verzweifelt erfolglos nach unserem Regenschirm. Es war zehn vor acht. Ich war spät dran. Okay, dann musste es ohne Schirm gehen. Mit dem Fahrrad konnte ich leider nicht fahren, da mein Kleid dermaßen kurz war, sodass der entgegenkommende Verkehr beim Glotzen mutmaßlich frontal in meinen unbeschlüpferten Schoß hinein kacheln würde. Zu Fuß waren es zehn Minuten, ging es mir durch den Kopf. Würde ich den Weg in meinen High Heels unbeschadet überstehen? Das müsste zu schaffen sein. So doll würde es schon nicht regnen, gab ich mich optimistisch. Während ich los stöckelte, stand Steffi im Gartentor und winkte mir ein letztes Mal theatralisch zu. „Los! Ran an den Speck, tu dich bloß gut amüsieren mit dem Lutz. Lass es krachen und tu nix, was ich nicht auch... “, bevor sie ihren Satz beendet hatte, war sie mit ihrem dünnen Morgenmäntelchen schon wieder im Hausinneren verschwunden. Die Glückliche!
Es war Anfang Oktober und von den letzten noch lauen Sommertagen war heute Abend nichts mehr zu spüren. Die Temperaturen bewegten sich um maximal 10 Grad Celsius und mein Trenchcoat konnte meinen blanken Hintern auch nicht vor der Kälte schützen. Wieso nur hatte ich mal wieder auf Steffi gehört? Die Kälte suchte sich problemlos ihren Weg in jede freie Ritze meines Körpers. Ob der Frische legte ich einen Zahn zu, allerdings in der Gewissheit, dass ich mir in den nächsten Tagen und Nächten ausschließlich Nieren- und Blasentee einverleiben würde. Nach fünf
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