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Zum Glück Pauline - Roman

Zum Glück Pauline - Roman

Titel: Zum Glück Pauline - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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spüren. Welch ein Gefühl der Glückseligkeit. Keine Schmerzen zu haben, ist das größtmögliche Glück auf Erden. Ich hatte auf einmal Lust, das Leben und die Liebe zu genießen. Ein Lächeln zeigte sich auf meinem Gesicht, und dieses Lächeln wurde immer breiter. Für einige Augenblicke vergaßich, was gerade passiert war. Aber das hing wahrscheinlich alles zusammen. Gaillard war der Auslöser meiner Beschwerden gewesen, und ich hatte mich davon befreit, indem ich über ihn hergefallen war. Schon im Vorfeld dieser fatalen Besprechung hatte eine extrem angespannte Atmosphäre um sich gegriffen, aber ich hatte irgendwie nicht wahrhaben wollen, wie suspekt Gaillards Benehmen war. Mein Körper hatte die Zeichen des Verrats eher gedeutet als mein Verstand. Die Ursache meines Leids hatte mir täglich auf der Nase herumgetanzt, und ich war zum Röntgen und zur Kernspintomographie gegangen. Manchmal muss man einfach nur die Augen aufmachen und sich ein wenig umsehen.
    Ich weiß nicht, wie lange ich so dasaß, bis endlich jemand hereinkam. Zehn Minuten, zwanzig Minuten, eine volle Stunde? Das Verschwinden der Schmerzen versetzte mich in eine Zeit, in der die Minuten schemenhaft und ungeordnet an mir vorüberzogen. Vom Gang her vernahm ich ein Stimmengewirr, vor meiner Tür ging anscheinend ständig jemand auf und ab, es herrschte wohl eine gewisse Unschlüssigkeit da draußen. Mir wurde allmählich bewusst, was ich getan hatte. Schließlich hörte ich ein Klopfen. Ich rief «herein», und vor mir erschien Audibert. Er wirkte geradezu schockiert, als er mich sah:
    «Aber … Sie lächeln ja …»
    «Ja … aber das hat nichts damit zu tun. Das ist bloß, weil meine Rückenschmerzen weg sind …»
    «Sind Sie sich dessen bewusst, dass Sie da gerade was Schlimmes angerichtet haben?»
    «Ja.»
    «Und bedauern Sie es? Haben Sie irgendwelche Schuldgefühle?»
    «…»
    «Aber egal, was für Gründe Sie jetzt nennen, das hat nichts damit zu tun, wie die Geschichte ausgehen wird, das kann ich Ihnen gleich sagen. Sie sind entlassen.»
    «Verstehe.»
    «Und das macht Ihnen nichts aus?»
    «Doch … natürlich macht mir das was aus …»
    «…»
    «…»
    «Ich bin sehr betrübt wegen dieses Vorfalls eben. Und es tut mir auch sehr leid, Sie entlassen zu müssen. Sie arbeiten hier seit über zehn Jahren, und ich weiß Ihre Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit zu schätzen. Ich hätte nie gedacht, dass Sie zu so etwas imstande sind.»
    «Ich auch nicht.»
    «Aber warum haben Sie es dann getan?»
    «Ich … ich weiß es nicht …»
    «Na gut, ich kann verstehen, dass Sie sich dazu jetzt nicht äußern wollen. Also, Sie sind dann wegen schweren persönlichen Fehlverhaltens fristlos gekündigt. Das heißt, es gibt in dem Fall auch keine Abfindung.»
    «…»
    «Ich muss mich dabei allerdings an das vorgeschriebene Verfahren halten. Das wird an den Konditionen zwar nichts ändern, aber es ist eben Vorschrift.»
    «Welches Verfahren?»
    «Sie müssen zur psychologischen Beratung. Es gibt so genannte Betriebspsychologen, das sind meist ausgebildete Psychoanalytiker.»
    «Psychoanalytiker?»
    «Ja … Psychoanalytiker.»

10
    Intensität der Schmerzen: 0

Gemütslage: mit leichten Zukunftsängsten,

aber immer noch wie befreit

11
    Nach dem Gespräch mit Audibert packte ich meine Sachen (alles passte locker in eine Schuhschachtel). An mein Leben hier würden nur sehr wenige Erinnerungen bleiben. In knapp einer Stunde waren die Spuren von über zehn Jahren beseitigt. Meine Tätigkeit hatte keine hohen Wellen geschlagen, ich hielt mich auch lieber im Hintergrund, und nun ging alles gnadenlos zu Ende. Mein Ausbruch hatte nicht nur meinem Hass gegen einen Kerl, der mir übel mitgespielt hatte, sondern auch meinen beruflichen Selbstmordabsichten Ausdruck verliehen. Ich wollte alles niederreißen. Sokonnte man das auch interpretieren. Aber jetzt war alles vorbei. Ich würde einen neuen Weg einschlagen und fühlte mich frohen Mutes. Diese positiven Gedanken wurden von einer schlechten Neuigkeit leider sofort wieder erschüttert. Kaum hatte ich mich in der Hoffnung auf ein abschließendes Wohlgefühl eingerichtet, waren die Schmerzen wieder da. Es war ein Trugschluss, dass die Gewalt mich erlöst hatte. Immer wenn ich dachte, ich hätte mich der Plage entledigt, kam sie zurück, wie ein Egel, der einem unermüdlich das Blut aus den Adern saugt. Mir ging es keinen Deut besser. Im Gegenteil, es kam mir so vor, als hätten die Schmerzen die Pause

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