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Zum Glück Pauline - Roman

Zum Glück Pauline - Roman

Titel: Zum Glück Pauline - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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die Jahre der Angst gebeugt hatte. Das Gefühl der Befreiung, das ich spürte, war auch körperlich. Mir ging’s besser. Ja, so konnte man das sagen. Ich hatte meine Geldsorgen wohl auch auf dem Rücken meines Rückens ausgetragen. Sie waren sicherlich nicht die Hauptursache meiner Schmerzen gewesen, aber ich fühlte mich doch erleichtert. Ich wollte in irgendeinen Laden gehen und irgendetwas kaufen. Normalerweise wog ich gründlich das Für und Wider ab und kam dann zu dem Schluss, dass ich gar nichts brauchte. Ich merkte, dass ich mir da etwas vormachte. Man lügt sich gern in die Tasche, um die eigenen Mittel seinen Wünschen anzupassen. Und das ist auch das Einzige, was man gegen den Frust machen kann. Auf einmal stieg die Kauflust in mir auf. Eine Lust, die nicht den endlosen Regeln der Vernunft unterworfen war. Ich setzte mich in Bewegung und dachte an all die Sachen, die ich mir kaufen könnte. An einem Geldautomaten hob ich fünfzigEuro ab. Ich hielt mir den Schein vors Gesicht und betrachtete ihn einen Moment lang. Da spürte ich plötzlich einen heftigen Drang in mir, und ich ging noch einmal zurück. Zu der Bank, auf der ich gesessen hatte, als Audibert anrief. Der Clochard war immer noch da, wahrscheinlich verbrachte er den ganzen Tag hier. Ich ging auf ihn zu und hielt ihm den Geldschein hin. Er schenkte mir ein Lächeln, genau das gleiche, das er der Frau vorhin geschenkt hatte. Der Betrag war also im Grunde egal. Allein die Geste zählte. Ich erzähle das nicht, um in einem großzügigen oder freigebigen Licht zu erstrahlen, so wie man sich gerne edler Taten rühmt, die einem eine solche Befriedigung verschaffen, dass sie die Geste des Helfens eigentlich vollkommen entstellt, nein, ich erzähle das nicht, um mich selbst zu loben, denn die Wahrheit ist eine ganz andere: Ich war immer noch fest davon überzeugt, dass dieser Mann ich selbst war.
     
       * So passierte es mir oft, dass mir am Donnerstag eine Antwort auf eine Frage einfiel, die mir am Montag gestellt worden war.

12
    Intensität der Schmerzen: 2

Gemütslage: wieder auf dem Damm

13
    Manche Leute sind immer gleich. Ein faszinierendes Phänomen. Édouard ist der ausgeglichenste Mensch, den ich kenne. Die Tage gehen spurlos an ihm vorüber. Es ist beruhigend, einen Freund zu haben, der solche Züge trägt. Dessen Gemütsverfassung eine verlässliche Größe ist. Vielleicht hing das ja auch mit seinem Beruf zusammen. Um ständig in den Mündern anderer Leute herumzuwühlen, war sicherlich eine etwas distanzierte Sicht der Dinge vonnöten. Als Zahnarzt mutierte man wohl leicht zum Buddhisten. Édouard begrüßte mich also mit seiner schier unveränderlichen Miene, gleichmütig wie der Gott des Alltags. Was mich anging, musste ich in einem fort an die Erotikattacke seiner Frau denken. Ich wollte mich als noch besserer Freund als er selbst erweisen. Ich stellte ihm allerlei lästige Fragen über sein Leben, sodass er schließlich Verdacht schöpfte:
    «Sicher, dass auch alles in Ordnung ist mit dir?»
    «Jaja.»
    «Es macht mir Sorgen, wie du dich benimmst.»
    «Ach ja? Wieso?»
    «Du stellst so viele Fragen … interessierst dich dafür, wie es mir geht … willst alles ganz genau wissen … gehst ins Detail …»
    «Na und? Ich bin doch … dein Freund.»
    «Wenn du mein Freund bist, dann sag mir, was mit dir los ist.»
    «Was … soll schon los sein?», stotterte ich.
    «Haben die Ärzte irgendwas herausgefunden?»
    «Nein …»
    «Sicher?»
    «Wenn ich’s dir sage.»
    «Ah, das beruhigt mich. Du hast mich total fertiggemacht mit deinen Fragen. Ich dachte schon, du willst für immer Abschied nehmen …»
    «…»
    Anscheinend hatte ich einen allzu mitleidserregenden Ton angeschlagen. Aber es ist schwer, eine angenehme Gesprächsatmosphäre herzustellen, wenn die Frau des Gesprächspartners erst kürzlich einen Vergewaltigungsversuch bei einem unternommen hat. Doch anstatt des Vergewaltigungsversuchs hatte Édouard sich vorgestellt, dass die Ärzte einen Tumor bei mir festgestellt hatten. Das sagt einiges darüber aus, was sich in menschlichen Beziehungen so abspielt: Nimmt man Anteil am Leben des anderen, bedeutet das, dass man etwas zu verheimlichen hat. Im Grunde bestand kein Anlass zur Sorge. Édouard war in dieser Hinsicht nie besonders scharfsinnig gewesen. Eine Eigenschaft, die ich immer an ihm gemocht hatte. Manchmal wirkte er der Realität komplett entrückt. Es schien, als habe er einen Teil seiner Kindheit ins Erwachsenenleben

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