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Zum Glück Pauline - Roman

Zum Glück Pauline - Roman

Titel: Zum Glück Pauline - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Kommen und Gehen der Schmerzen auf und ab, die typischen Launen des Unseligen eben. Dunkle Gedanken stiegen in mir auf. Eine Vielzahl von Fragen stürmte auf mich ein, wo ich doch noch vor wenigen Augenblicken die Vorzüge meines unerschrockenen Lebenswandels gerühmt hatte (ich hatte mir ein Lächeln abgerungen, weil ich nicht wusste, wo ich heute übernachten würde): Was sollte aus mir werden? Wie sollte ich meinen Lebensunterhalt bestreiten? Würde ich im Rollstuhl enden? Wie zur Illustration meiner Ängste erspähte ich plötzlich unweit von mir einen Obdachlosen. Er schien mir so um die fünfzig zu sein, vielleicht auch jünger, womöglich war er gar genauso alt wie ich? Was wusste ich schon? Wenn man so auf der Straße lebt, altert man bestimmt schneller. In einem Jahr Obdachlosigkeit vielleicht um zehn Jahre. Unmöglich, im Auftauchen dieses Clochards kein Zeichen zu sehen. Er war der, der ich einmal sein würde. Das war meine Zukunft. Ohne Zweifel. Warum war ich darauf nicht gekommen, es lag doch auf der Hand? Ich hatte keine Arbeit mehr, keine Frau, kein Geld, nichts, dieKinder kamen ganz gut ohne mich aus, und irgendwann würden sie nichts mehr mit mir zu tun haben wollen. Man musste sich ja schämen mit einem Vater wie mir. Gebrechlich und von allen guten Geistern verlassen, ein Freak in privater wie in beruflicher Hinsicht. Je länger ich darüber nachdachte, desto besser erkannte ich mich in dem Clochard wieder. Ich konnte meinen Blick gar nicht mehr von ihm abwenden. In dem Augenblick trat eine Frau auf ihn zu und warf ihm ein Zehn-Cent-Stück hin. Das heißt, ich konnte nicht genau sehen, ob es wirklich ein Zehn-Cent-Stück war, aber es war eine kleine Münze, ein lächerlicher Betrag. Ein Tropfen auf den heißen Stein. Zehn Cent, nicht mehr … Aber besser als nichts, eine Geste immerhin. Er bedankte sich und schenkte der Frau ein breites Lächeln, ein riesiges Lächeln, ein Jahrhundertlächeln. Dabei war zu sehen, dass er fast keine Zähne mehr hatte. Ihm fehlten die Mittel, sich behandeln zu lassen. Er würde sterben. Und wenn es einem so dreckig geht, lächelt man eine Frau, die einem zehn Cent hinwirft, an wie ein Hund. Ich wäre am liebsten dieser Frau hinterhergegangen, um mich ebenfalls zu bedanken. Denn ich hatte das Gefühl, als hätte sie mir diese zehn Cent hingeworfen. Ich wollte ihr danken, weil mich sonst niemand mehr eines Blickes würdigte, weil mich niemand mehr je wieder eines Blickes würdigen würde.
    Da geschah etwas Unglaubliches.
    Der zu Wechselbädern neigende Irrsinn des Lebens hielt eine Kunde für mich bereit, die meine ungezügelten Untergangsfantasienbremste. Eben noch war ich ein Häufchen Elend gewesen und hatte die Lage zugegebenermaßen etwas dramatisiert. Manchmal tut es ganz gut, sich die größtmöglichen Katastrophen und schlimmsten Szenarien auszumalen. Erwachsene brauchen das, wenn sie nicht mehr weinen können wie Kinder. Wenn sie ihrem Zweifel und ihrem Kummer nicht mehr freien Lauf lassen können. Ich saß auf meiner Bank, als sich die Wirklichkeit in Form eines Telefonläutens meldete. Ich schaute auf mein Handy und der angezeigte Name war: Audibert. Über Sylvies morgendlichen Eskapaden hatte ich total vergessen, ihn zurückzurufen. Obwohl er gesagt hatte, es sei «dringend». Ich ging ran.
    «Hallo?»
    «Ah, guten Tag … störe ich Sie gerade?»
    «Nein, nein … überhaupt nicht.»
    «Haben Sie meine Nachricht erhalten?»
    «Ja … ja … entschuldigen Sie … dass ich gar nicht zurückgerufen habe … ich hatte gesundheitliche Probleme …»
    «Oh … hoffentlich geht’s Ihnen jetzt wieder besser.»
    «Ja, danke. Das wird schon wieder.»
    «Gut, dann ist ja alles in Ordnung. Gesundheit ist nämlich das Allerwichtigste.»
    «Ja, das sehe ich genauso.»
    «Ich wollte mit Ihnen sprechen wegen Ihrer Entlassung.»
    «…»
    «Ich hab gute Neuigkeiten.»
    «Aha?»
    «Ich will gar nicht auf die Details eingehen, aber Ihr Kollege verzichtet darauf, Anzeige gegen Sie zu erstatten. Und wir haben die Sache so arrangiert, dass Sie nicht wegen schweren persönlichen Fehlverhaltens entlassen werden …»
    «Ah … vielen Dank …»
    «Folglich … auch angesichts der Tatsache, dass Sie ein langjähriger und verdienter Mitarbeiter des Hauses sind … werden Sie eine Abfindung erhalten … das heißt … Sie können sich ein bisschen Zeit lassen …»
    «Ich kann mir Zeit lassen?»
    «Ja, ich meine … Sie können die Dinge in Ruhe auf sich zukommen lassen

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