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Zum Glück Pauline - Roman

Zum Glück Pauline - Roman

Titel: Zum Glück Pauline - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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bestellt sein, wenn die Leute sich so lieben. Mir schien das alles zusammenzuhängen. Ich brauchte Liebe, ich musste alles rauslassen, was in mir schlummerte. Genau, Édouard hatte recht: Mein Rücken schrie förmlich nach sinnlichen Erfahrungen. Für mich noch kein Grund, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Doch mein Freund ließ nicht locker: «Dein Leiden ist zu schlimm, du brauchst eine Frau, die das anzupacken weiß …» Er erzählte mir von einer Internetseite, wo es viele Kleinanzeigen gab und wo die Patienten – also die Freier – auch Kommentare hinterlassen konnten.
    «Du kannst die Mädchen bewerten. Schreiben, was sie für Vor- und Nachteile haben. Wie sie allgemein sind. Wie sie es mit der Zeit handhaben. Alles Mögliche …»
    «…»
    Dass das ja Menschen waren, über die so geurteilt wurde, schien ihn nicht weiter zu schockieren. Als ich meine Vorbehalte zum Ausdruck brachte, meinte er:
    «Das läuft jetzt überall so. Auch Professoren werden bewertet. Und sogar Zahnärzte.»
    «Ach ja?»
    «Ja, es gibt Seiten, wo Patienten ihre Meinung äußern können. Unsere Gesellschaft basiert auf der Meinung desanderen. Egal, ob du heute ins Theater, ins Kino oder ins Hotel gehst, als Erstes liest du dir die Kommentare der andern durch.»
    «…»
    «Genau, und so funktioniert’s auch bei Prostituierten.»
    Merkte Édouard, dass man ihn für einen gewohnheitsmäßigen Verfasser solcher Kommentare halten musste? Ich tat, als würde ich nicht groß Notiz davon nehmen, dass er sich mit dem Thema ja bestens auszukennen schien. Als wir nach dem Essen das Restaurant verließen, sagte ich ihm, dass ich mir ein Hotelzimmer nehmen würde.
    «Aber wieso denn? Du kannst bei uns wohnen, so lange du willst.»
    «Ich will einfach allein sein. Das wollte ich auch noch nie.»
    «Aha … na jedenfalls kannst du gerne wieder bei uns einziehen, wenn du willst. Wir sind da, das weißt du ja.»
    «Ja, weiß ich.»
    «Sylvie wird bestimmt enttäuscht sein.»
    «…»
    «Ich glaube, es hat ihr Spaß gemacht, dich zu bekochen … und ein bisschen zu bemuttern … na ja, du kennst sie ja … sie ist immer sehr emotional …»
    «…»
    Ich lief eine Weile herum auf der Suche nach einem geeigneten Hotel. Ich war wie ein Tourist in meiner eigenen Stadt. Um den Alltagssorgen zu entfliehen, hatte ich – wie viele Leute – manchmal davon geträumt, alles hinzuschmeißen.Ein neues Leben zu beginnen, noch einmal bei null anzufangen. Aber dazu wäre ich nicht fähig gewesen. Also hatte das Schicksal das für mich in die Hand genommen. Mir war jeglicher Bezug zur Welt abhandengekommen. Manchmal wusste ich gar nicht mehr, was in mir selbst vorging. Ich fühlte mich weder glücklich noch unglücklich. Ich war in merkwürdige Gefilde des Daseins vorgedrungen, ziemlich schmerzfreie, wie ich feststellte. Ich fürchtete, gar nichts mehr zu empfinden, aber das war eine unbegründete Angst. Ich befand mich eben auf der Durchreise. Hatte das Steuer aus der Hand gegeben und trieb im Strom der Ereignisse dahin. Meinem Rücken schmeckte diese neue Trägheit, das spürte ich. Wie hatte ich mich so lange über Kleinigkeiten aufregen können?
    Nun stand ich vor einem Hotel. Es war ganz klein und hieß «Les Pyramides». Ich ging hinein und fand eine verwaiste Rezeption vor. Da es auch keine Klingel gab, begann ich mich geräuschvoll zu räuspern, das Erste, was mir einfiel, um mich bemerkbar zu machen. Ein Mann um die fünfzig erschien. Mit seinem matten Teint, dem stolzen Schnauzbart und einer Nase, die die Form eines gleichschenkligen Dreiecks hatte, sah er aus wie ein waschechter Ägypter. Daher wohl der Name des Hotels.
    «Ich war da gerade mit der Buchhaltung beschäftigt», entschuldigte er sich.
    «Kein Problem.»
    «Wie kann ich Ihnen helfen?»
    «Ich möchte ein Zimmer.»
    «Für eine Nacht?»
    «Ja, vielleicht auch für länger.»
    «Ah okay, prima …», sagte er und wirkte etwas überrascht, dass jemand die Möglichkeit in Betracht zog, mehrere Nächte hier zu verbringen. Er zeigte mir das Zimmer. Es erschien mir ganz reizend. Nichts Extravagantes und eher klein. Aber das Fenster ging zu einem kleinen Hof hinaus, der einen sehr ruhigen Eindruck machte. Eines dieser Pariser Hotels, wie es sie fast nicht mehr gibt, wie man sie nur noch in den Filmen der 1970er Jahre sieht. Ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl: Genug, um einen Mann ohne Geltungsdrang glücklich zu machen. Das Bad war so zweckmäßig eingerichtet wie das Zimmer. Kein

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