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Zum Glück Pauline - Roman

Zum Glück Pauline - Roman

Titel: Zum Glück Pauline - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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kein einziger Satz einfallen. Weil ich in der Absicht schrieb, die Zeit totzuschlagen. Und man schreibt eben nicht, nur weil man gerade Zeit hat. Ich hätte mich nach den Worten richten müssen, wer darauf wartet, dass die Worte sich nach einem selbst richten, wartet lange. Ich hatte nicht nur keine Berufung, ich hatte nicht einmal eine Idee. Ich spürte, dass ich mir all die Jahre etwas vorgemacht hatte. All die Jahre, indenen ich behauptet hatte, meine bürgerliche Existenz (die Arbeit, die Ehe, meine Kinder) würde mich davon abhalten, meinen Roman zu schreiben. Das stimmte überhaupt nicht. Es gab gar keinen Roman; es hatte nie einen gegeben.
    Frustriert begann ich, im Internet zu surfen. Nach einer Weile legte ich mich hin, weil ich es auf dem Holzstuhl nicht mehr aushielt (mir tat der Rücken weh). Ich hatte nichts Besseres zu tun, als meine Zeit zu verschwenden. Schließlich beschloss ich, die von Édouard empfohlenen Seiten zu besuchen. Alle möglichen Frauen boten alle möglichen Dienste an. Ich musste mir sogleich eingestehen, dass ich in meinem bisherigen Sexualleben nicht über ein paar Klassiker hinausgekommen, dass ich nie von den ausgetretenen Pfaden abgekommen war. Ich hatte so wenig ausprobiert in meinem Leben. Zunehmend erregt klickte ich mich durch verschiedene Profile, meine Schmerzen waren wie weggeblasen. Zugleich hielt ich kritische Distanz, manche der angezeigten Kommentare bezüglich der Leistungen der Mädchen erschütterten mich. Ein Freier bezeichnete eine Ukrainerin als «Funktionärsfotze» und schrieb: «Illegal, scheißegal, anal.» Eine neue Welt tat sich mir auf. Eine Afrikanerin mit dem Pseudonym «Carmen des Îles» erregte meine Aufmerksamkeit. Unter ihrem Bild war aufgelistet, was sie alles machte und was nicht, und dann war da noch der Zusatz: «Traumkörbchengröße 95 D.» Ich schaute mir noch weitere Mädchen an, doch meine Begeisterung ebbte ab. Mit der Zeit verloren all diese Körper ihre Sinnlichkeit, sie kamen mir immer abstrakter vor.
    In den vergangenen zehn Jahren war ich vielleicht zwei oder drei Mal auf irgendwelchen Pornoseiten gelandet und hatte mehr aus Zufall einige Bilder und Videos gesehen. Pornografie hatte mich nie besonders angezogen. Als Jugendlicher hatte ich mir ein paar Filme gekauft und war es irgendwann leid geworden, sie so oft anzuschauen. Das heißt, es mag vielleicht seltsam anmuten, aber ich entdeckte das alles erst jetzt, mit vierzig. Zum Wohle meines Rückens war ich gewillt, die erotische Fährte aufzunehmen. Mein Rücken konnte einiges aushalten. Ich spürte deutlich, dass ein Teil von mir das Abenteuer mit einer Prostituierten suchte. Also rief ich «Carmen des Îles» an. Verlegen stotternd klärte ich mit ihr die einzelnen Punkte. In einer Stunde war sie bereit, mich zu empfangen. Da konnte ich mich ja gerade noch zurechtmachen und dann schnell hinfahren. Sie wohnte in der Nähe der Métro-Station Château-Rouge im 18. Arrondissement. Die Adresse hatte sie mir am Telefon gesagt. Als ich vor dem Gebäude stand, beeilte ich mich, geschwind hineinzuschlüpfen. Ich hatte gehofft, niemandem zu begegnen, doch leider ging es im Eingangsbereich zu wie im Taubenschlag. Es kam mir so vor, als wüssten alle, wohin mein Weg führte. So wie die Leute mich musterten, konnte kein Zweifel bestehen: Ich sah ganz nach Freier aus. Am Klingelbrett drückte ich die Klingel, auf der «C» stand. Ohne dass sich jemand über die Sprechanlage meldete, öffnete sich die Tür. Carmen hatte mir die Wohnungsnummer genannt und den Stock, in den ich musste. Vierter Stock, ich nahm trotzdem die Treppe. Ich wage kaum zu erwähnen, dass ich kein bisschen erregt war. Ich hatte überhaupt keine Lust mehr auf Sex.
    Ich klopfte, die Sache wurde immer peinlicher. Eine Frau machte mir die Tür auf und bedeutete mir wortlos einzutreten. Carmen wirkte ganz anders auf mich als in der Beschreibung und bereitete mir keineswegs den freundlichen Empfang, von dem ich gelesen hatte.
    «Komm …», sagte sie.
    «…»
    Ich folgte ihr durch einen Flur, bis sie mir ein Zimmer wies.
    «Geh schon mal rein», flüsterte sie.
    Ich saß allein in einem kargen Raum. Zahlreiche finstere Gedanken schossen mir durch den Kopf. Und wenn das nun eine ganz üble Absteige war, wo man mich beklauen und mir dann die Kehle durchschneiden wollte? Ich hatte niemandem Bescheid gesagt, dass ich hier war. Anscheinend hatte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank. Zum Glück kam Carmen gleich wieder. Sie wollte mir

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