Zum Glück Pauline - Roman
immer noch kein Lächeln schenken.
«Erst zahlen.»
«Okay …», sagte ich und zog 150 Euro aus der Tasche.
«Gib mir lieber 200, du wirst sehen, es lohnt sich.»
«Na gut …»
Ich brauchte ein paar Augenblicke, um zu merken, dass ich es gar nicht mit der Frau vom Foto zu tun hatte.
«Sind Sie Carmen?»
«Nein, ich heiße Jessica. Ich bin die Cousine von Carmen. Du wirst sehen, das macht überhaupt keinen Unterschied.»
«Ach so …», seufzte ich und dachte mir, dass ich wahrscheinlich keinen Kommentar schreiben würde, wenn ich nur mit der Cousine vorliebgenommen hatte.
Jessica zog die Tür hinter sich zu und gab mir ein Zeichen, dass ich mich aufs Bett legen sollte.
«Du gehst nicht so oft ins Bordell, oder?»
«Nein … das ist das erste Mal … ich hab nämlich Rückenschmerzen.»
«Ah … okay. Jeder hat so seine Macken. Damit kann ich umgehen.»
Ich verstand nicht die Bohne. Mit ihrem Rollkragenpullover machte sie keinen sonderlich motivierten Eindruck. Ich lag reglos da und starrte die Wand an. Schließlich ergriff sie meine Hand und führte sie zu ihrer linken Brust. Ich war kein bisschen erregt. Es war, als bestünde überhaupt keine Verbindung zwischen meiner Hand und meinem Gehirn. Man muss allerdings dazusagen, dass ihr Pulli kratzte.
«Ich bin erkältet. Deswegen behalt ich den Pulli an, okay?»
«Öh … na ja … wenn Sie meinen …»
«…»
«…»
«Ich kann dich ja ein bisschen auspeitschen. Du siehst so aus, als würde dir das gefallen … stimmt’s, dass du dich gern auspeitschen lässt?»
«Ich weiß nicht so recht …»
Ich dachte vor allen Dingen an meinen Rücken. Und ich hatte Zweifel, ob die Peitsche meinen empfindlichen Lenden gut bekommen würde. Ich hatte nichts dagegen,wenn sich beim Sex ein bisschen was rührte, aber es musste ja nicht gleich so barbarisch sein.
«Okay, zieh dich aus …», befahl sie.
Ich war nun wahrlich nicht zum Geschlechtsakt bereit. Andererseits war ich deswegen hierhergekommen, also musste ich die Sache schon bis zum Ende durchstehen. Vielleicht verbarg sich unter ihrem Pullover ja doch mein Ticket ins erotische Nirwana, in dem dann auch mein Rückenleiden von mir abfallen würde. Noch war mir das alles zu technisch, ich fand die ganze Atmosphäre ein bisschen zu unterkühlt. Ich brauchte mehr menschliche Wärme. Also fragte ich:
«Wollen wir nicht lieber erst ein bisschen reden?»
«Ah, du gehörst zu denen, die reden wollen.»
«Ich weiß nicht.»
«Das kostet aber extra.»
«Reden? Kostet extra?»
«Na klar … was glaubst du denn? Ich gebe doch nicht umsonst Dinge von mir preis!»
«…»
Als ich ein etwas ungläubiges Gesicht machte, fing sie an zu lachen:
«Du verstehst anscheinend überhaupt keinen Spaß!»
«Ach so … das war Spaß …»
«Ich glaube, es ist einige Zeit her, dass du das letzte Mal …»
«Ich weiß nicht.»
«Ach, du weißt ja überhaupt nichts. Also gut, worüber willst du denn reden?»
«Ich weiß nicht. Einfach nur reden … über irgendwas …»
«Oh, du bist ein Perverser, das hatte ich mir doch gleich gedacht …»
«Wo sind Sie zum Beispiel her …?»
«Aus’m Osten.»
«Ostafrika?»
«Nein, aus Straßburg. Ich bin Elsässerin. Merkt man das nicht?»
«Ach so … doch …»
«Quatsch, stimmt überhaupt nicht … Ich hab keine Ahnung, wo ich her bin … ich bin irgendwie adoptiert worden … mein Adoptivvater hat mich vergewaltigt, als ich fünfzehn war … und ich bin schwanger geworden … deswegen hielten sie mich dann versteckt … ich musste mein Kind hergeben … also hab ich beschlossen zu fliehen … und so bin ich in Paris gelandet … ohne Familie … ohne Geld … ich hatte gar nichts … und ich weiß nicht, was aus meiner Tochter geworden ist … ich hab zum Glück so einen Typen hier kennengelernt … na ja, er zwingt mich, auf den Strich zu gehen … und wenn ich nicht tue, was er sagt, verdrischt er mich … siehst du die Schramme da?»
«…»
«Die ist von gestern.»
«…»
«So … jetzt weißt du alles.»
«…»
«Können wir dann loslegen? Ziehst du dich aus?»
Man kann sich wohl denken, dass ich nach diesen Informationen schnell das Weite suchte. Ich ließ ihr das ganze Geld da, das ich bei mir hatte. Ich wusste nicht, ob sie sich über mich lustig gemacht hatte oder ob ihre Geschichte stimmte. Aber es schien so. Nachdem ich das Gebäude verlassen hatte und ein paar hundert Meter gegangen war, verspürte ich plötzlich ein Gefühl der Erleichterung.
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