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Zum Glück Pauline - Roman

Zum Glück Pauline - Roman

Titel: Zum Glück Pauline - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Damit hatte ich gar nicht gerechnet, aber nach so einem belastenden Erlebnis atmet man erst mal durch. Nicht mehr einer falschen Spur zu folgen ist so ähnlich wie guten Sex zu haben. Meine Rückenschmerzen waren weg. Édouard hatte doch irgendwie recht gehabt. Ich ging zu Fuß ins Hotel zurück. Die Sonne sank gerade, als ich die Zimmertür hinter mir schloss, und ich wähnte mich glücklich, da die Operation sexueller Aufbruch beendet war.

16
    Intensität der Schmerzen: 3

Gemütslage: erleichtert

17
    Als ich am Morgen aufwachte, fühlte ich mich innerlich ganz zerknittert. Es kam mir vor, als hätte ich in einem Koffer übernachtet. Alles tat mir weh. Trotzdem raffte ich mich auf und ging hinunter in den Frühstücksraum. Kaum hatte ich mich an meinen Tisch gesetzt, gesellte sich der Patron zu mir.
    «Wie geht’s? Gefällt’s Ihnen in meinem Hotel?»
    «Danke. Mir geht’s gut und mir gefällt’s.»
    «Bleiben Sie noch ein wenig länger?»
    «Ja, denke schon.»
    «Wie lange?»
    «Ich weiß noch nicht. Mal sehen.»
    «…»
    «…»
    «Darf ich mir eine Frage erlauben?»
    «Ja …»
    «Sind Sie auf der Flucht?»
    «Was?»
    «Haben Sie irgendwas auf dem Kerbholz? Sind Sie bei mir untergetaucht? Wenn dem so ist, kann ich Ihnen meine absolute Diskretion versichern.»
    «Ach was, so ein Quatsch.»
    «Oh pardon. Entschuldigen Sie. Ich dachte … na ja, entschuldigen Sie.»
    «…»
    «Aber wenn es doch so wäre, würden Sie es mir ja nicht sagen …»
    «Wie bitte?»
    «Wenn Sie auf der Flucht wären.»
    «Aber ich bin nicht auf der Flucht. Wie kommen Sie denn darauf?»
    «Weil Sie ein ziemlich ungewöhnlicher Gast sind. Bei mir steigen normalerweise nur Touristen ab. Touristen, die wenig Geld haben. Sie dagegen sind schwer einzuschätzen.»
    «…»
    «Wer sind Sie?»
    «Na ja … ich stecke halt in einer Krise. Aber das ist doch kein Verbrechen, oder?»
    «Nein, natürlich nicht. Tut mir wirklich leid, dass ich so indiskret bin.»
    «…»
    «Und was machen Sie so?»
    «Im Augenblick gar nichts. Bis vor Kurzem hab ich in einem Architekturbüro gearbeitet.»
    «Tatsächlich? Was für ein Zufall.»
    «Wieso?»
    «Ich suche gerade jemanden, der mir ein bisschen hilft. Ich würde gern umbauen hier. Ein paar Zimmer vergrößern. Aber ich weiß nicht recht, wie man so was anpackt.»
    «Aha …»
    «Wenn Sie Zeit haben, vielleicht …»
    «Ja, okay. Ich denk mal drüber nach …»
    «Echt, würden Sie das machen?»
    «Ja. Mal sehen.»
    «Mal sehen, okay. Ich werde Sie nicht weiter belästigen. Das ist wirklich sehr nett von Ihnen, dass Sie mal drüber nachdenken …»
    «…»
    «Ich heiße übrigens Vassilis», sagte er und reichte mir die Hand.
    Er ging lächelnd davon. Ich fragte mich erstens, warum ich mich im Gegenzug nicht auch vorgestellt hatte, und zweitens, warum ich mich bereit erklärt hatte, ihm zu helfen. Ich wollte überhaupt nicht arbeiten. Meine Berufslaufbahn war beendet. Ich wusste zwar noch nicht, womit ich meine Tage verbringen würde, aber ich fand, dass ich mich in einer anderen Richtung als bisher umschauen sollte. Ich wollte vor allem aus dem Dunstkreis meiner Vergangenheit heraustreten. Das Schreiben war so eine Idee gewesen, doch das Resultat war äußerst unbefriedigend ausgefallen. Als ich dieses Hotel betreten hatte, hatte ich aus einem beruflichen Automatismus heraus die Räumlichkeiten analysiert, die Unstimmigkeiten zur Kenntnis genommen und das vergeudete Potenzial erkannt. Ich wusste schon, wo man ansetzen musste, wenn man das Ganze etwas schöner gestalten wollte. Ich hatte mir diesen Ort ausgesucht, um mich vor der Außenwelt zu schützen. Insofern hatte dieser Mann schon recht. Ich war auf der Flucht. Hielt mich vor meiner Vergangenheit versteckt. Das Verbrechen, das ich begangen hatte, war,dass ich nie jemand anderes als ich selbst gewesen war. Ich hatte mich immer um die großen Fragen und wichtigen Entscheidungen herumgedrückt. Wenn es um das Verhältnis zu meiner Umwelt schlecht bestellt war, lag das auch an mir. Ich konnte mich nicht immer meiner Verantwortung entziehen. Irgendwann im Leben kommt die Zeit, wo der Körper Rechenschaft fordert, wenn der Geist dies schon nicht tut. Ich konnte ihn gut verstehen, fand es nur schade, dass ich nun ausgerechnet im Keller eines schäbigen Hotels unter einem flackernden Neonlicht, das bestimmt bald den Geist aufgeben würde, zur Rechenschaft gezogen wurde.
    Der Patron kehrte mit einem riesigen Kaffee und einem ebenso riesigen Lächeln im

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