Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)
gewesen wären. Gewiss waren die Libanesen der Meinung, dass Amerika sich in den Konflikt eingemischt habe, um die israelische Besetzung Beiruts zu unterstützen. Dass die Marines nichts unternahmen, um die übermäßige Gewaltanwendung der Israelis zu stoppen, verstärkte diesen Eindruck natürlich. In Wirklichkeit waren die Beziehungen zwischen den Marines und der IDF vor Ort immer gespannt.
Es gab mehrere Beispiele bewusster israelischer Provokationen. Gepanzerte IDF-Fahrzeuge drangen mehrmals in Stützpunkte ein, die von Amerikanern gehalten wurden. Mehr als ein Marine hatte bereits seine Waffe auf einen israelischen Panzerkommandanten gerichtet. Auch wir hatten mit ihnen ein paar Auseinandersetzungen. Meist waren es Schwierigkeiten an ihren Fahrzeugkontrollpunkten, wo IDF-Panzer die Straße blockierten und sich weigerten, ein Stück beiseitezufahren und uns durchzulassen. Auf den Straßen zurückzufahren, die wir gerade gekommen waren, war jedoch viel mehr als unangenehm. Es war brandgefährlich. Wir nannten die IDF bei uns die »Armee Gottes« und belegten sie auch mit anderen, weit weniger schmeichelhaften Ausdrücken.
Als wir einmal mit der Sea Fox unterwegs waren, bekamen wir den Befehl, ein Schiff zu überprüfen, das sich laut Radarüberwachung mit hoher Geschwindigkeit dem Hafen näherte. Der Punkt auf dem Radarschirm stellte sich schließlich als Patrouillenboot der israelischen Marine heraus, das mit einem Affenzahn nach Norden in Richtung des amerikanischen Operationsgebiets unterwegs war. Wir bekamen den Auftrag, das Boot abzufangen. Die USS John Rodgers teilte uns seine Geschwindigkeit und seinen genauen Kurs mit. Als wir näher kamen, merkten wir, dass wir es mit einem IDFN-Patrouillenboot der Dabur-Klasse zu tun hatten. Wir versuchten unser Bestes, um es durch Winkzeichen zum Beidrehen zu bewegen, die Israelis weigerten sich jedoch, langsamer zu werden oder gar anzuhalten. Wir preschten ihnen mit Höchstgeschwindigkeit hinterher, bis beide Seiten schließlich stoppten und einander mit Waffen bedrohten.
Das israelische Patrouillenboot war mit 18 Metern anderthalbmal so lang wie wir und außerdem mit 20-mm-Kanonen bewaffnet. Wenn sie das Feuer auf uns eröffnet hätten, wären wir in ein paar Sekunden zerfetzt worden. Ich stand mit dem Gewehr um den Hals auf dem Mitteldeck der Sea Fox. Für kurze Zeit dümpelten wir auf dem Wasser, hielten unsere Waffen aufeinander gerichtet und warteten darauf, dass einer von uns nachgab. Schließlich griff sich der israelische Kommandant auf seiner Brücke ein Megafon. In abgehacktem Englisch teilte er mir mit, dass er uns versenken würde, wenn ich ihm weiterhin den Weg versperren würde. Ich rief zurück, dass es eine sehr kurze Fahrt werden würde, wenn er nach Norden weiterfahren würde. Ich deutete über meine Schulter. Von dort rauschte die 100 Meter lange USS John Rodgers auf uns zu, deren strahlend weiße Bugwelle sich gegen das tiefblaue Wasser abhob. Das 127-mm-Schiffsgeschütz der John Rodgers war nach Backbord gerichtet. Sie meinte es ernst, und wir taten das auch.
»Ich rate Ihnen, sich zurückzuziehen, Captain«, sagte ich.
Das Dabur-Boot wendete und fuhr langsam den Weg zurück, den es gekommen war.
Als sich das israelische Patrouillenboot beleidigt in Richtung Süden entfernte, tröstete mich der Gedanke, dass wir vielleicht nicht »Gottes Armee«, aber zumindest in dieser Gegend immer noch »Gottes Navy« waren.
Zurück am Ufer, bekamen wir zwar unterschiedliche Aufträge zugewiesen, trotzdem schlich sich mit der Zeit eine gewisse Monotonie ein. Das einzige Gegenmittel gegen Langeweile ist, sie gar nicht erst aufkommen zu lassen. Ich hatte ein Surfbrett in unsere Verlade-Box geschmuggelt, bevor wir Virginia verließen. Es war sogar mein Lieblings-Surfboard, ein 2,08 Meter langes kirschrotes Lopez Lightning Bolt, ein abgerundeter Pintail, den Gerry Lopez selbst entworfen hatte. Ich brachte das Brett an Land, indem ich es in einen Leichensack steckte. Bubba, Cheese und Dave halfen mir, ihn in der »Landezone Braun« am Flughafen aus dem Hubschrauber zu tragen. In einer Kriegszone gibt es eine Sache, die die Leute zwar erblicken, aber nicht »sehen«, und das sind vier SEALs, die einen Leichensack tragen. Wir fuhren die »Leiche« dann auf der Ladefläche eines 2,5-Tonnen-Militärlasters nach Green Beach, wo ich sie in einen unserer Container vor dem Rancho Deluxe steckte. Meist sind die Brandungswellen im Libanon nicht sehr beeindruckend, aber
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