Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)

Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)

Titel: Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Pfarrer
Vom Netzwerk:
bekannt. Die genauen Aufgaben der multinationalen Friedenstruppe waren weniger deutlich definiert. Sie waren zwar angeblich in einer Broschüre namens »Libanon« festgehalten, die von der MAU herausgegeben und verteilt worden war. Die diesbezüglichen Angaben waren aber nur vage und wolkig und darüber hinaus in vielen Seiten voller unwichtiger Angaben über das lokale Klima, die Geografie und die Landwirtschaftsgeschichte des Libanon versteckt. Bezeichnend war ein nebulöser Satz, es sei unsere Aufgabe, »ein Klima zu schaffen, in dem die libanesischen Streitkräfte ihrer Verantwortung nachkommen können«.
    Wenn wir das schaffen wollten, hatten wir viel zu tun.
    In dem Handbuch gab es auch Karten, die angeblich die Positionen der Hauptbeteiligten zeigten, allerdings mit der Wirklichkeit nur wenig zu tun hatten. So besetzten die Drusen laut dieser Karte einen Kreis mit einem Radius von 8 Kilometern, der Beirut nicht einmal berührte. Den anderen, potenziell feindlichen Parteien wurden ähnlich unrealistische Herrschaftsbereiche zugewiesen, während man den LAF (Lebanese Armed Forces/libanesische Streitkräfte) galanterweise die Kontrolle über einen Großteil der Hauptstadt mit dem Parlamentsviertel zugestand. Diese Karten zeigten einen Libanon, den Amerika erst schaffen wollte und der mit der Wirklichkeit des Krieges herzlich wenig zu tun hatte.
    Den Beschützer der um ihre Existenz kämpfenden Libanesischen Republik zu spielen, war vielleicht eine noble Absicht, stellte sich jedoch als äußerst kurzsichtig heraus. Hier hatten wir es mit einem multilateralen Bürgerkrieg zu tun. Obwohl die einzelnen Parteien offensichtlich Spaß daran fanden, einander zu bekriegen, hatte jede von ihnen doch auch mit der amtierenden Regierung ein Hühnchen zu rupfen. Unsere »Friedenssicherung« bestand immer mehr darin, die einzelnen Parteien auseinanderzuhalten und es den LAF zu erlauben anzugreifen, wen immer sie wollten. Das »Nation-Building« war endgültig zu einer halbherzigen Nebensache geworden. Amerikas vorgebliche Neutralität erwies sich immer mehr als Fiktion. Auf dieses Feigenblatt würde schon bald ganz verzichtet werden.
    Nachdem sie wochenlang ihre überschüssigen Vorräte verbrannt hatten, verließen die Israelis in der Nacht zum 28. April ihre letzten Stellungen in Beirut. Als die IDF sich zurückzog, fiel die Stadt auseinander. Der Abzug der Israelis schuf ein gefährliches Vakuum. Die wichtigsten Bürgerkriegsparteien schlugen sich jetzt im Schuf-Gebirge um die nicht mehr besetzten Gebiete. Gleichzeitig schien jeder Beteiligte, ob nun Drusen, Amal oder LAF, auf die Marines zu feuern. Der Dauerbeschuss hielt mehrere Tage an. Als die Sonne über dem Schuf aufging, lag ganz Beirut unter einem Nebel von Pulverdampf. Während endloser grauer Nachmittage hallten die Berge vom Artilleriefeuer und Gegenbeschuss wider.
    Die Mär von den angeblichen »Irrläufern« erwies sich endgültig als Unsinn, weil der Flughafen jetzt eindeutig direkt beschossen wurde. Tagelang gab es zwischen den einzelnen Granaten- und Raketeneinschlägen nur kurze Ruhepausen. Wenn wir durch unseren Stützpunkt gingen, waren wir immer auf der Hut. Sich mehr als vier Schritte von einem massiven Unterstand zu entfernen, wurde zu einem leichtsinnigen Nervenkitzel.
    Die Männer in den Unterständen waren schweißgebadet. Ihre Augen waren so rund und groß wie die von Kindern bei einem Gewitter. Stundenlang saßen sie da und knirschten mit den Zähnen, wenn wieder einmal der Wind durch die Heckflossen der heranfliegenden Raketen pfiff. Wenn die Einschläge in der Nähe lagen, hob es die schlafenden Männer 15 Zentimeter von dem feuchten Boden empor. Ein unsanfteres Erwachen lässt sich wohl kaum vorstellen. Allerdings war es noch inmitten des schlimmsten Beschusses unmöglich, das Ganze nicht für einen entsetzlich schlechten Witz zu halten. Die Wahrnehmung ändert sich unter Feuer, die Sinne werden scharf und die Sicht, das Gehör und die Gerüche werden durch die enormen Mengen von Adrenalin im Blut und die nackte Angst intensiver.
    Ich hatte mir damals ein paar Methoden zurechtgelegt, um diese Zeiten zu überbrücken. Ich überlegte mir Namen für die Hunde, die ich einmal besitzen würde, ich schmiedete Zukunftspläne und dachte mir möglichst schlimme Kommentare über ehemalige Geliebte aus. In diesen Tagen wirkte das Sonnenlicht irgendwie schwächer und schien seine Kraft verloren zu haben. Das Licht schlich durch die Türen und

Weitere Kostenlose Bücher