Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)
Wir waren glücklich, für geraume Zeit den Gemeinheiten der Teamführung in Little Creek entronnen zu sein. Das westliche Puerto Rico ist wunderschön, man kann dort gut surfen, und unser Einsatz war das reinste Paradies. Wir waren der Naval Special Warfare Unit Four als Caribbean Contingency Platoon (Karibischer Einsatz-Zug) zugewiesen worden. Grenada war erst vor Kurzem »befriedet« worden, die Kubaner hielten sich im Moment ebenfalls bedeckt und die ganze Karibik war ruhig.
Unser ursprünglicher Auftrag war die Bekämpfung des Rauschgifthandels. Zu diesem Zweck schickten wir MTTs, Mobile Training Teams, als Militärberater in mehrere wackelige lateinamerikanische Staaten. Unsere Kundenliste las sich wie das Who’s Who der kokainproduzierenden Länder auf diesem Planeten. Wir lehrten das Übliche: seegestützte Operationen, Erkundungs- und Überwachungseinsätze, Patrouillengehen, Spezialoperationen, Sabotage und die Grundzüge der allgemeinen Einsatzplanung.
Inwieweit unsere Klienten diese Lektionen im Kampf gegen die Rauschgifthändler anwandten, entzog sich unserer Kontrolle. In ihrer Welt tanzte der Teufel mit vielen Partnern. Es gab dort korrupte und autoritäre Zentralregierungen, Drogenhändler, Guerilleros und bösartige rechte Paramilitärs. Die Drogen-Dollar kauften Politiker jeder politischen Couleur. Wahrheit und Gerechtigkeit waren dort absolute Mangelware. Manchmal bildeten wir Armee- oder Polizei-Eliteeinheiten eines Landes aus, die direkt danach von Politikern oder höheren Militärs, die auf der Gehaltsliste der Drogenbarone standen, aufgelöst, im Stich gelassen oder für deren üblen Zwecke eingesetzt wurden. Tatsächlich konnten wir unter dem Strich kaum etwas Positives bewirken.
Ich berichtete zurück nach Little Creek, dass wir hier nur unsere Zeit vergeudeten. Vielleicht hat man sogar auf mich gehört, denn bald wurden wir von der Drogenbekämpfung abgezogen. Vermutlich gab es Wichtigeres zu tun.
Mitte der 1980er-Jahre hielt Amerikas Endlosstreit mit Nicaragua immer noch an. Nach wie vor trainierten, unterstützten und motivierten die Vereinigten Staaten die Contras. Diese Bemühungen konzentrierten sich auf das Gebiet entlang des Río Coco in Honduras und die aufstrebende Boomtown Puerto Lempira. Kurz nach unserer Ankunft in Roosevelt Roads wurde ich zu einem Vielflieger, der regelmäßig zu diesem verdeckten Kriegsschauplatz in Mittelamerika pendelte.
Scharf angezogene Männer
Meine Karriere als Militärberater verlief in Schüben. Meine Erinnerungen daran erscheinen mir wie eine Art Diavortrag. Ich führte kleinere Einheiten von Puerto Rico nach Mittelamerika, meist nach Honduras, gelegentlich jedoch auch in andere Länder. Wir sprangen mit dem Fallschirm ab, verbrachten ein paar Wochen im Busch, operierten von Hängemattenzelten oder einem fliegenverseuchten kleinen Pueblo aus, führten unser Trainingsprogramm durch und wurden dann wieder abgezogen. Unser Lehrplan hing von unseren Kunden ab. Den Einheiten der honduranischen Armee musste man oft die Grundlagen vermitteln: den einfachen Drill sowie Infanterie- und Kleingruppentaktiken. Für andere wie etwa Contra-Einheiten mit einer ordentlichen Nummernbezeichnung und paramilitärischen CIA-Betreuern waren unsere Lektionen dagegen oft höchst fachspezifisch: die Sabotage von Wasserfahrzeugen aller Art, das Verfolgen und Aufspüren des Gegners und der Einsatz von Spähern und Scharfschützen.
Meist wurden wir nach einer Woche wieder abgezogen oder an einen anderen Ort gebracht. Ich hatte den Eindruck, dass wir an einer ziemlich kurzen Leine geführt wurden. Die Gastnationen wollten ganz genau wissen, wie viele Amerikaner in ihrem Land waren, wohin sie gingen und wie lange sie blieben. Unseren Einsätzen folgte gewöhnlich eine Nachbesprechung und ein extrem alkoholisches Wochenende in Tegucigalpa, Panama City oder San Salvador. Danach ging es zurück nach Puerto Rico, wo wir darauf warteten, dass das Telefon klingelte.
Jeder, der in den 1980er-Jahren in Mittelamerika gedient hat, wird mir wahrscheinlich bestätigen, dass sich Amerikaner draußen im Feld, selbst wenn sie weiter im Süden eingesetzt waren, überwiegend ziemlich sicher fühlen konnten. Die größte Gefahr herrschte in den Städten in den Phasen, in denen wir uns eigentlich ausruhen und erholen sollten. Draußen im Feld konnten wir uns auf unsere Tarnung und unsere Geheimhaltungstechniken verlassen. In den Städten stachen diejenigen von uns, die besonders Anglo
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