Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)
ihr Ziel auch erreichten – mit einer Ausnahme: Bei der Ausbildung wurden keine Abstriche gemacht.
Der Lehrgang, der vor uns lag, war stark entwickelt worden, seit die Navy in Fort Pierce, Florida, erstmals Kampfschwimmer ausgebildet hatte. Heute waren die brutalen 12 bis 20-Stunden-Tage des Lehrgangs dem Konditionstraining, dem taktischen Verhalten kleiner Kampfeinheiten und der Guerillataktik, dem Legen von Hinterhalten, dem Sprengen feindlicher Einrichtungen und dem Legen von Sprengfallen gewidmet. Außerdem wurden die Teilnehmer des Lehrgangs mit einer Fülle von Waffen vertraut gemacht, die vom US-Militär, den Verbündeten der USA und dem Feind verwendet wurden. Neben diesen eher handwerklichen Fertigkeiten eines Kriegers werden Navy SEALs auch in Tauch- und Überdruckmedizin, Kartografie, Navigation zu Wasser und zu Lande, im Tauchen mit Kreislauftauchgeräten und Drucklufttauchgeräten, im Nahkampf sowie in Kommunikationstechniken und Nachrichtenbeschaffung ausgebildet.
Wir würden all dies lernen – vorausgesetzt, wir schafften den ersten Tag.
Eine militärische Ausbildung muss hart sein, weil der Krieg noch härter ist. Lehrgang 114 hatte jedoch mehr als eine bloße Ausbildung vor sich. Er wurde einem Initiationsritus unterworfen, einer Erfahrung, die seine Teilnehmer für immer grundlegend von allen Männern unterscheiden würde, die den Lehrgang nicht absolviert hatten.
Solche hochfliegenden Gedanken machte ich mir, als ich auf dem Grinder im Nebel stand. Man konnte beinahe hören, wie in meinem rasierten kleinen Kopf »God Bless America« erscholl. Ich hatte keinen blassen Schimmer, worauf ich mich eingelassen hatte. In Wahrheit war ich eine Kaulquappe, ein Möchtegern-Kampfschwimmer, und ich hatte nicht die geringste Ahnung, was nötig war, um einen Navy SEAL aus mir zu machen.
Offenbar wusste das auch die Navy nicht.
Die besten Ärzte, Physiologen und Psychiater hatten Profile von erfolgreichen Lehrgangsteilnehmern erstellt, um die Klassen möglichst mit Teilnehmern zu füllen, die den Lehrgang auch durchstehen würden. Aber trotz ihrer Anstrengungen hatten Bauernsöhne, Surfer, Berufssportler, Tiefseetaucher und aussichtsreiche Olympiateilnehmer zu den Abbrechern gehört, während normale, 65 Kilogramm schwere Jungs Erfolg gehabt hatten. Niemand wusste wirklich, wer den Lehrgang bestehen würde. Denn es ist nun mal unmöglich, Motivation zu quantifizieren.
Von der Gruppe, die mit mir Lehrgang 114 begann, habe ich nicht viele Männer im Gedächtnis behalten. Ich kann mich nur noch an wenige Namen und noch weniger Gesichter der 145 Teilnehmer erinnern. Genau kenne ich nur die Handvoll der Jungs, die zusammen mit mir den Abschluss geschafft haben, und sie werde ich nie vergessen. Die Abbrecher verschwanden aus meinem Gedächtnis, wie sie aus der Gruppe verschwanden. Die Männer, die mit mir abschlossen, waren ein Querschnitt von Amerika. Es waren Kerle aus Nebraska dabei, die buchstäblich nie zuvor das Meer gesehen hatten, aber auch Strandgammler und Kubaner aus Miami, harte Jungs und stille Typen, knochige und muskelbepackte Männer. Die erfolgreichen Absolventen von Lehrgang 114 waren der unwahrscheinlichste Haufen von Schweinehunden, den man je gesehen hat. Als wir an jenem Morgen im Nebel standen, konnte niemand wissen, dass von den 145 Mann auf dem Platz bei der Abschlussfeier sechs lange Monate später nur noch 32 dabei sein würden.
Der ranghöchste Teilnehmer unseres Lehrgangs war Lieutenant Mike Heyward, ein Absolvent des Citadel Military College in South Carolina und Surface Warfare Officer. Er war ein paar Jahre älter als die Ensigns und hatte sich zu BUD/S gemeldet, nachdem er, größtenteils auf Zerstörern, vier Jahre bei der Flotte gedient hatte. Er war der zweitälteste Offizier im Lehrgang. Der Älteste, Ensign Rick James, hatte im reifen Alter von 30 Jahren die Chance bekommen, an dem Lehrgang teilzunehmen. Wie Mike Heyward hatte auch er schon vorher gedient. Er war bei der 82nd Airborne Artillerist gewesen, bevor er die Naval Officer Candidate School besucht hatte. Auch die anderen Offiziere in meinem Lehrgang waren Absolventen der OCS.
Vor Lehrgang 114 war es für Absolventen der OCS schwer gewesen, einen Platz im SEAL-Training zu bekommen. Die Plätze waren damals für Männer reserviert, die nach Ansicht der Navy besser motiviert und gründlicher vorbereitet waren als die sogenannten 90 Day Wonders von der OCS, nämlich die Absolventen der vierjährigen ROTC-Ausbildung
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