Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)
Sprengladung angebracht, die jedem eine äußerst unangenehme Überraschung bereiten sollte, der die »Leichen« bergen wollte. Diesen fiesen Trick hatten die amerikanischen Soldaten vom Vietcong gelernt.
Als alles erledigt war, versammelten sich die beiden Gruppen auf der Straße und bildeten eine Marschkolonne. Als wir abrückten, begann es zu regnen, und vom immer noch brennenden Lkw stieg dunkler Rauch in den finsteren Himmel auf. 40 Minuten später wurden wir von einem Hubschrauber ausgeflogen, der uns zu einem SEAL-Stützpunkt auf einem Übungsgelände der US-Army tief in den bewaldeten Bergen von Zentral-Virginia brachte. Dort führten wir eine Einsatznachbesprechung durch, reinigten unsere Waffen und gönnten uns ein Bier, während die aufgehende Sonne den letzten Tag unserer 16-wöchigen harten Ausbildung einleitete. Ich erinnere mich, dass ich mich an diesem kalten Frühlingsmorgen zum ersten Mal wie ein richtiger SEAL gefühlt habe.
Ich wurde erst Anfang Dezember 1981 dem SEAL Team Four zugeteilt. Nach meinem erfolgreichen Abschluss des BUD/S wurde ich erst mit einigen anderen Offizieren der Klasse 114 zur Naval Amphibious Base in Coronado abgestellt. Dort sollten wir wieder einmal als Versuchskaninchen dienen. Dieses Mal sollten wir an einem neuen akademischen Ausbildungsprogramm teilnehmen, das uns zu besseren Special Warfare Officers, also Offizieren für spezielle Kriegführung, machen sollte. Eigentlich hätte ich gerne sofort meine erste Kommandostelle angetreten. Ich muss jedoch zugeben, dass wir BUD/S-Abgänger noch für keinen eine große Hilfe gewesen wären. Wir waren ja noch nicht einmal SEALS, sondern 1180er, also nur Naval Special Warfare Officers auf Probe: »Kaulquappen«. Die sechs Monate BUD/S-Ausbildung hatte uns im Grund nur zu körperlich unbesiegbaren Schwachköpfen gemacht und uns fehlten noch weitgehend die Kenntnisse und das Wissen, die wir als echte SEALs benötigen würden. Wir sollten bald merken, was wir alles noch nicht wussten.
Am Montagmorgen nach meinem Abschluss wurde ich temporär zur Naval Amphibious School abgestellt, die auf der anderen Straßenseite des BUD/S-Geländes lag. Die nächsten beiden Monate würde ich acht Stunden am Tag eine gründliche Ausbildung in der Planung von Spezialoperationen und politischer Kriegsführung erhalten. Der Lehrgang in Politischer Kriegsführung trug früher den Titel »Aufstandsbekämpfung«. Angeblich hatte man den Namen geändert, als ein Reporter aus San Diego das Kursprogramm der Amphibious School in die Hände bekam und daraufhin einen Artikel schrieb, in dem er die Ausbildung mit der der berüchtigten School of the Americas verglich. Unsere Dozenten versicherten uns, dass der Kurs in politischer Kriegführung ein BUD/S für unser Gehirn werden würde. Von Anfang an wurde uns eine ungeheure Menge Stoff vermittelt, und die verbindliche Lektüreliste war sehr umfangreich. Alles, was uns beigebracht wurde, war jedoch im höchsten Maße faszinierend.
Am ersten Unterrichtsmorgen schrieb ein Ausbilder zwei japanische Kanji-Schriftzeichen an die Tafel: Bunbu Ichi . Das sei eine Maxime der Samurai, die sich ungefähr mit »Harmonie von Schreibpinsel und Schwert« übersetzen ließe. Wir seien hier, um zu lernen, dass ein härteres Kämpfen ein klügeres Kämpfen erfordere. Bevor wir als »Militärpilger« in die Welt hinausgehen könnten, müssten wir uns erst einmal als Schüler bewähren.
Die ersten Bücher, die wir lesen mussten, waren soziologische Arbeiten über bäuerliche Gesellschaften. Wir lasen Karl Marx’ Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie und das nur schwer zugängliche Kapital. Dieses Buch und die dahinterliegenden Ideen sind wahrscheinlich der größte Schwindel, der jemals der Menschheit aufgeschwatzt wurde. Die Lektüre machte uns keineswegs zu guten Kommunisten, vermittelte uns jedoch die Grundlagen des dialektischen Materialismus. Unsere Dozenten sorgten dafür, dass wir die Motivation der kommunistischen Aufstände verstanden und begriffen, dass hinter ihrem bewaffneten Kampf doch etwas Fortschrittliches steckte. Ob wir nun mit dem Prozess oder dessen Ergebnis übereinstimmten oder nicht, wir sollten wenigstens begreifen, dass unsere Feinde dadurch ein besseres Leben aufbauen wollten. Der Marxismus war zwar als nicht funktionierendes, unterdrückerisches Regierungssystem abzulehnen, aber viele betrachteten ihn dennoch als eine grundlegende Methode der soziologischen und historischen Analyse. Die
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