Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)
400 Kilometer weiter westlich liegenden Landeshauptstadt Tegucigalpa gab es jedoch keine direkte oder indirekte Straßenverbindung.
Puerto Lempira war also vom Rest der Nation weitgehend isoliert. Die Miskitoküste (so benannt nach ihren Bewohnern, den Miskito-Indianern), ist ein fast völlig unerschlossenes Mangrovengebiet, das sich im Südosten bis zum Kap Gracias a Dios erstreckt. Fast alles und alle werden dort mit dem Boot oder Schiff befördert. Zwar gab es nahe bei der Stadt eine ungeteerte Landepiste, aber Anfang der 1980er war die Ankunft eines Flugzeugs noch ein fast biblisches Ereignis. In der Nähe der Flugpiste stand ein zweistöckiges Betongebäude, das in den Landesfarben taubenblau und weiß gestrichen war. Dieses Gebäude ohne Fenster oder Türen war Sitz einer honduranischen Infanteriekompanie und der örtlichen Regierung.
So unwahrscheinlich dies auch erscheinen mochte, Puerto Lempira sollte schon bald zu einem ganz wichtigen Ort werden.
Zwei Jahre zuvor hatte in Nicaragua eine Revolution siegreich geendet. Einige Oppositionsgruppen, die von der Sandinistischen Nationalen Befreiungsfront angeführt wurden, hatten den von den USA unterstützten Diktator Anastasio Somoza gestürzt. Nachdem dieser ins Exil getrieben worden war, wurden eine Bodenreform durchgeführt, die Banken verstaatlicht und das Bildungswesen sowie die Gesundheitsversorgung verbessert. Das Volk von Nicaragua hatte jedoch nur einen Despoten gegen einen anderen eingetauscht.
Der Anführer der Sandinisten, Daniel Ortega, begann sofort damit, seine Herrschaft zu konsolidieren, indem er Gegner und frühere Verbündete ins Gefängnis steckte und einen orthodoxen kommunistischen Staat errichtete. Die Bürgerrechte wurden eingeschränkt und die Wahlen verschoben. Die Kubaner griffen der Junta unter die Arme, und die Sowjets schickten Waffen und Berater. Dem immer radikaler werdenden Regime warf man vor, es unterstütze den linksradikalen Aufstand im nahe gelegenen El Salvador. Comandante Ortega machte sich gar nicht erst die Mühe, diese Vorwürfe abzustreiten.
In Washington hatte man das Gefühl, dass die Dominosteine zu fallen begannen und dass ein kubanischer Finger sie umstieß. Das kam bei Ronald Reagan natürlich gar nicht gut an, der sich bekanntlich mit dem Regime in Kuba nie wirklich abfinden konnte. Für Onkel Ronnie war auch nur ein kommunistisches Land in der westlichen Hemisphäre schon eines zu viel.
Als sich die sandinistische Unterdrückung verstärkte, begannen mehr und mehr Dissidenten, gegen die Kommunisten die Waffen zu ergreifen. Einige Kämpfer stammten aus dem Militär des ehemaligen Regimes, einige aus der Oligarchie, aber viele waren liberale und demokratische Leute, die den Machthunger der Sandinisten fürchteten. Um den sandinistischen Patrouillen auszuweichen, floh ein Großteil dieser bewaffneten Gruppen nach Norden über den Río Coco nach Honduras. Im Jahr 1981 war ihre Zahl noch recht klein und sie besaßen fast keine Ausrüstung und Waffen. Es gab noch kein zentrales Kommando. Im Grunde war das keine einsatzfähige Truppe, doch das sollte sich bald ändern.
Diese Gruppen nannte man schließlich die Contrarevolucionarios oder einfach Contras. Mit Unterstützung der CIA wurden die einzelnen Parteiungen zu einer schlagkräftigen Truppe zusammengefasst, die entschlossen war, Daniel Ortega zu stürzen. Die Contras wurden die Speerspitze des andauernden US-Stellvertreterkriegs gegen das Reich des Bösen. Die CIA benötigte jedoch einen Ort, an dem diese Stellvertreterarmee bewaffnet und ausgebildet werden konnte, eine Gegend, die weit von der gewöhnlichen Nachrichtenwelt entfernt war. Diese Gegend war das östliche Honduras, das Departamento Gracias a Dios.
An einem schönen Nachmittag in Little Creek waren Frank und ich gerade auf dem Weg zum Pistolenschießstand, als uns Mike Boynton durch das Fenster des Operationsbüros zu sich herwinkte.
»Der XO möchte euch sehen«, rief er uns zu.
Auf dem Weg zum Dienstzimmer des XO fragte er uns: »Ist bei euch Jungs alles in Ordnung mit euren Impfungen?«
Wir beide wussten, dass dies eine lange Reise bedeutete, meistens in ein Land, wo Dünnpfiff ein Nationalsport war.
Wir klopften an Jon Wallaces Tür. Auf dem Schreibtisch des XO war eine Seekarte der Miskitoküste von Honduras ausgerollt. Daneben lagen ein paar Satellitenfotos eines schäbigen kleinen Dorfes am Fuße einer außergewöhnlich langen Pier. Dies war mein erster Blick auf Puerto
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