Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)

Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)

Titel: Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Pfarrer
Vom Netzwerk:
hinausgekommen waren. Die ganze Zeit überprüften wir sämtliche Torwege und Seitengässchen. Über uns hingen handgeschriebene arabische Schilder von den Wänden und Balkonen herab, deren Aufschriften uns natürlich verschlossen blieben.
    In einigen Teilen der Stadt versammelten sich bei den ersten Patrouillen noch viele Kinder um uns und sprachen uns auf Englisch an. »Hello! Wie heißt du? Gib mir Kakao!« Sie freuten sich dann riesig, wenn wir ihnen Päckchen mit Schokoladenpulver aus unseren MREs (unserem Verpflegungspaket, den M eals, R eady-to- E at) überreichten. Die Kinder wuselten um uns herum, fassten uns an, lachten und vollführten verrückte Tänze, während die Patrouillen an ihnen vorbeizogen. Überall richteten Kinder Plastikspielzeug- und Zündplättchenpistolen auf uns. Plötzlich lugten sie hinter Ecken und Wänden hervor. Zuerst blieb einem fast das Herz stehen, aber dann hatte man so viele gesehen, dass man in der heißen Nachmittagsluft nicht weiter auf sie achtete. Einige Marines schauten nicht einmal mehr hin. Sie gingen einfach weiter.
    In Khomeiniville war die Feindseligkeit der Leute dagegen von Anfang an greifbar. Dort wohnten hauptsächlich schiitische Muslime, und sie mochten multinationale Truppe überhaupt nicht. Gegen uns Amerikaner hegten sie hauptsächlich aus religiösen Motiven einen besonderen Hass. Hier waren es echte Patrouillen. Wir trafen nur auf eisig-abweisende Gesichter. Die Leute spuckten einen an, machten abfällige Gesten und stießen ihre Kinder ins Haus, wenn wir vorbeikamen. Wenn wir uns einem Wohnblock näherten, begannen die Frauen in hohen Tönen zu trällern. Das ist eine besondere Art des Heulens, das durch eine schnelle Zungenbewegung erzeugt wird. Das schrille, hohe, trillernde Lu-lu-lu ist einerseits ein Warnsignal, andererseits ein Zeichen der Verachtung. Das unheimliche, stotternde Geheul hallte von den Häusern in der Umgebung wider. Trotz der Hitze bekamen wir eine Gänsehaut. Glücklicherweise waren die amerikanischen »Ausflüge« in diesen Stadtteil nur kurz.
    Manchmal wurden sie jedoch länger, als uns lieb war.
    In den engen, gewundenen Straßen konnte man leicht die Orientierung verlieren. In diesem Labyrinth aus Gebäuden und Sackgassen konnte man schon einmal glauben, dass der Kompass irgendwie defekt sei, und dann im Vertrauen auf den eigenen Orientierungssinn in eine völlig falsche Richtung gehen, bis man sich komplett und hoffnungslos verlaufen hatte. Manchmal landeten solche verirrten Patrouillen an Orten, an denen sich Amerikaner definitiv nicht zeigen sollten. Wenn dies geschah und Patrouillen über Marktplätze stolperten, die nie zuvor in der Geschichte von den Stiefeln christlicher Ungläubiger entweiht worden waren, wurden die Augen der Bewohner so groß wie Suppenteller. Jedermann erstarrte. Obstverkäufer, die gerade das Wechselgeld herausgeben wollten, froren mit ausgestreckten Armen und dem Geld in der Hand regelrecht ein und wurden zu bewegungslosen Standbildern. Erst wenn wir abgezogen waren, tauten sie wieder auf. Ganze Straßen kamen zu einem völligen Stillstand. Die Leute standen einfach nur da und starrten uns an, als ob die Patrouille direkt vom Uranus stammen würde.
    Manchmal lachten die Menschen jedoch nur oder lächelten und deuteten mit dem Finger auf die seltsamen Fremden.
    Doch auf diesen Patrouillen konnten auch sehr unheimliche Dinge passieren. Manchmal waren die Straßen plötzlich verlassen, vollkommen verlassen. Fahrräder lagen einfach so auf dem Gehsteig, die Türen der Läden waren weit geöffnet, aber niemand stand hinter dem Tresen, und die Kinderwagen waren leer. Das einzige Geräusch war das Dahintröpfeln des dünnen, ockerfarbenen Jauchestroms, der in der Mitte der unbefestigten Straße floss.
    Man musste kein Genie der Taktik sein, um zu wissen, warum die Bevölkerung so plötzlich in Deckung gegangen war. Ob man sich nun verirrt hatte oder nicht, jetzt ging man einfach nur weiter. Aus Gegenden, wo die Porträts Ayatollah Khomeinis jeden Quadratzentimeter Wand bedeckten und iranische Fahnen von den leeren Balkonen herunterhingen, versuchte man, möglichst schnell zu verschwinden. Vor allem musste man auf die Kinder achten. Sie waren hier aufgewachsen, sie waren mit dem Getöse der Artilleriegranaten und dem Tumult der Straßenkämpfe groß geworden und sie wussten, wann es brenzlig wurde, so wie die Kinder in Cleveland wissen, wie viele Tage es noch bis Weihnachten sind. Sie lebten in diesen

Weitere Kostenlose Bücher