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Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)

Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)

Titel: Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Pfarrer
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Wohnblocks waren mit Bulldozern in einem fast quadratischen Muster neue Fahrspuren frei geräumt worden. Das Ganze erinnerte mich an alte Wochenschau- Aufnahmen der Ruinen von Nagasaki. In den Ritzen der zerstörten Gebäude hatten sich Plastiktüten und Kleidungsfetzen verfangen, die jetzt auf eigentümliche Weise im Wind flatterten und schließlich die Straße hinuntergeweht wurden. Diese Stadt des Todes war übersät mit den Resten der Besitztümer ihrer zu Opfern gewordenen ehemaligen Bewohner.
    Wenn man an diesen zerstörten Gebäuden vorbeifuhr, legte sich der Gestank von verwesendem Fleisch wie ein Schatten über den Jeep. Dieser Geruch war mit Worten nicht zu beschreiben, weder »widerwärtig« noch »ekelerregend« war dafür der richtige Ausdruck. Dieser Gifthauch verkörperte das absolute Böse und er hing mehr oder weniger stark über der ganzen Stadt. Die verwesenden Leichen machten sich auf ihre eigene Art überall bemerkbar und erinnerten einen ständig an den Tod. In den zerstörten Zonen war dieser Gestank wahrhaft entsetzlich. Er setzte sich in den Kleidern fest, brannte sich in die Sinne ein und drehte einem den Magen um. Durch die schmutzigen Straßen wirbelten Staubteufel durch die heißen Nachmittage und kamen wie Geister und böse Dschinnen auf uns zu. Wir zogen unsere Halstücher nach oben, damit sie unsere Gesichter bedeckten, aber dieser Pesthauch stach uns weiterhin in die Nasen. Er hatte uns fest im Griff, bis wir Stunden später in voller Uniform und Ausrüstung ins Meer springen konnten, in der Hoffnung, dass Mutter Ozean ihn abwaschen würde. Aber er ging einfach nicht weg, und ich konnte mich auch nie daran gewöhnen.
    In diesem ganzen tödlichen Chaos gab es jedoch auch noch Inseln der Zivilisation. Einige der wohlhabenden und bewusst kosmopolitischen Bewohner bestimmer Viertel Beiruts behielten ihre alte Lebensart auf trotzige Weise bei. Die Kontraste waren auch für uns Beobachter kaum zu verarbeiten. In einer Straße, die von zerstörten, verlassenen Hochhäusern eingefasst war, erschoss ich einmal einen Hund, der an einem menschlichen Schädel nagte. Zehn Straßenecken weiter parkte ein Jaguar vor einer Luxusboutique, in der man die Produkte von Chanel, Gucci und Levi’s kaufen konnte. Vor dem Schaufenster stand eine Frau, die eine Burka trug, die sie von Kopf bis Fuß verhüllte. Ihre Sicht auf die Welt beschränkte sich auf ein rechteckiges Netz, das ihre Augen bedeckte. Als wir an ihr vorbeifuhren, konnte ich einen Blick auf ihre Füße erhaschen. Unter ihrem Zelt trug sie rote Pumps mit 10 Zentimeter hohen Pfennigabsätzen.
    Am Ende jeder Patrouille fragte uns ein Aufklärungsoffizier, wo wir gewesen wären und was wir gesehen hätten. Einem älteren Gunnery Sergeant, der mich an meinen Vater erinnerte, sagte ich einmal, dass mich die Patrouille an eine Geisterbahnfahrt erinnert habe.
    Als sich die Lage dann immer mehr verschlechterte, konnten wir es kaum glauben, welche Straßen und Plätze wir in den ersten Monaten in unserer Naivität besucht hatten.
    Während wir allmählich lernten, uns in dieser Stadt zurechtzufinden, wurde die Bevölkerung immer militanter. Ohne dass wir es wussten, fanden im Mai im Bekaa-Tal ganz spezielle »Abschlussfeiern« statt. Im ganzen Juni sickerten dann die ersten erfolgreichen Absolventen der Hisbollah-Ausbildungslager in die Stadt ein. Sie errichteten um die amerikanischen und französischen Stellungen herum ihre Beobachtungsposten, notierten sich die Patrouillenzeiten und machten sich mit ihren potenziellen Angriffszielen vertraut. Kurz, sie machten ihre Hausaufgaben.
    Die Zeit der fröhlichen Jeeppatrouillen ging zu Ende.
    Unser Einsatz in dieser Stadt sollte bald von Gewalt geprägt werden.

Die gute, alte Religion
    Wir nannten ihn nur »den verrückten Mörser-Mann«. Er hatte keinen Namen und kein Gesicht. Es konnte ein einzelner Mann sein oder auch ein Dutzend. Er preschte aufs Geratewohl durch Hooterville mit einem Pickup, auf den er einen russischen 82-mm-Wassiljok-Mörser montiert hatte. Er fuhr an Orte, deren taktische Lage er zuvor erkundet hatte, und feuerte von dort auf unsere Stellungen und Stützpunkte. Manchmal schoss er sogar quer über den Flughafen auf Green Beach, manchmal traf er das BLT- oder das MSSG (Marine Service Support Group)-Gebäude. Es war ganz allein seine Entscheidung.
    Das Schlimmste am Mörserfeuer ist, dass die Einschläge ohne Vorwarnung kommen. Das Abschussgeräusch ist so weit entfernt und wird von den

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