Zum Lieben verfuehrt
Kopf ab. Erst in diesem Moment fiel ihr auf, dass die Trennwand aus Kissen verschwunden war, die sie letzte Nacht in der Mitte des Betts errichtet hatte. Sie zuckte so heftig zusammen, dass sie fast ihren Kaffee verschüttet hätte.
„Du hast die Kissen weggenommen“, sagte sie anklagend.
„Ich hatte keine Wahl. Ich bin schließlich Grieche, ich muss an meinen Ruf denken. Was glaubst du, was hier los ist, wenn Maria zufällig mitbekommt, dass du dich auf deiner Seite des Betts verbarrikadiert hast.“
„Aber wie sollte sie das denn mitbekommen? Außerdem könntest du ja sagen, dass wir uns gestritten haben.“
„Das könnte ich“, stimmte Ilios zu. „Aber bei uns gilt die Regel, dass man sich vor dem Einschlafen immer versöhnen muss. Maria ist noch von der alten Schule. Für sie gilt, je schlimmer der Streit, desto leidenschaftlicher hinterher die Versöhnung. In Marias Wertesystem kann ein schlimmer Streit zwischen Eheleuten nur mit einem Baby nach neun Monaten enden.“
Lizzie erschauerte. War das jetzt wirklich nötig gewesen? Nachdem sie ihm anvertraut hatte, wie es um sie stand, müsste er doch eigentlich wissen, was seine Worte auf sie für eine Wirkung hatten. Wenn er glaubte, so dafür sorgen zu können, dass sie ihr Verlangen besser in den Griff bekam, waren die Erfolgsaussichten seiner Bemühungen wahrscheinlich mehr als begrenzt.
„Man muss Maria doch irgendwie verständlich machen können, warum wir getrennt schlafen – schließlich sind wir noch nicht verheiratet.“
„Das geht nicht“, widersprach er entschieden. „Ein griechischer Mann muss seine Männlichkeit ständig unter Beweis stellen. Unvorstellbar, dass er jemals zugeben könnte, ein sexuelles Angebot ausgeschlagen zu haben.“
„Ich habe ja auch nicht gesagt, dass du ihr das erzählen sollst“, protestierte sie entrüstet.
Ilios musterte sie verstohlen aus dem Augenwinkel. Ungeschminkt, mit ihrem langen, vom Schlaf zerzausten Haar und dem übergroßen T-Shirt, das unter der Bettdecke hervorlugte, wirkte sie weiß Gott nicht wie eine Verführerin. Und warum sagte ihm dann sein Körper das glatte Gegenteil?
Als Lizzie den Kopf drehte und sich umschaute, fiel ihr etwas auf, das ihr bisher entgangen war: Auf der anderen Seite war das Bett vollkommen unberührt, das Kopfkissen hatte nicht die kleinste Delle.
Sie schaute Ilios vorwurfsvoll an. „Du hast ja gar nicht bei mir geschlafen!“
Als er die Stirn runzelte, korrigierte sie sich hastig: „Ich meine, nicht hier in diesem Bett.“
„Nein.“
„Aber wo denn dann?“
„Drüben auf der Couch. Es war schon spät, und ich wollte dich nicht stören. Du liegst nämlich auf meiner Seite. Natürlich hätte ich dich vorsichtig hochheben und umbetten können, aber das hielt ich nach allem, was du mir vorher erzählt hattest, für etwas heikel. Ich wollte nicht riskieren, dass du in meinen Armen aufwachst und womöglich falsche Schlüsse ziehst.“
Lizzie biss sich peinlich berührt auf die Unterlippe. „Ich dachte mir, vielleicht sollten wir es ja einfach bei der Verlobung belassen. Dann könntest du Maria sagen, dass ich eben altmodisch bin.“
„Ich brauche eine Ehefrau, keine Verlobte. Das war so vereinbart. Außerdem ist es jetzt sowieso zu spät.“
„Zu spät?“ Lizzies Herz begann, schmerzhaft zu hämmern. „Was soll das heißen?“
„Wir haben heute um halb zwölf einen Termin beim Notar, um den Ehevertrag zu unterschreiben. Anschließend fahren wir alle zusammen ins Rathaus, wo wir die letzten Formalitäten erledigen, und dann können wir sofort heiraten.“
„Was? Heute? So schnell schon? Aber geht das denn überhaupt? Ich meine, dauern die Vorbereitungen nicht eigentlich viel länger?“
„Normalerweise schon, aber man hat eben so seine Beziehungen. Im Rathaus kommt man meinen Wünschen gern entgegen. Manos Construction ist derzeit maßgeblich an einigen öffentlichen Bauprojekten beteiligt, und bei der Stadt ist man daran interessiert, dass die Arbeiten früher als geplant abgeschlossen werden. Da wäscht eben eine Hand die andere.“
„Was ist das? Vetternwirtschaft?“, fragte Lizzie anklagend.
Ilios’ Augen blitzten verärgert auf. „Keineswegs. Ich glaube nicht an Vetternwirtschaft und Korruption. Ich dachte, das hätte ich längst klargestellt. Ich habe lediglich versprochen, mein Möglichstes zu tun, um die Bauarbeiten zu beschleunigen, allerdings nur, solange die technischen Standards hundertprozentig eingehalten werden. Ich habe
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