Zum Morden verflucht
Ausführung ihres Vorhabens eignete. Sie drosselte die Geschwindigkeit noch mehr, weil sie nicht parken und auf einen Fußgänger warten wollte. Angestrengt spähte sie zwischen den Bäumen hindurch.
Tatsächlich, dort näherte sich von links jemand. Die Person – sie konnte nicht sehen, um wen es sich handelte -lief, hatte es also eilig und würde vielleicht den Zebrastreifen betreten, ohne vorher nach Autos Ausschau zu halten.
Annabel visierte die gelben blinkenden Lampen an, die den Fußweg markierten, schätzte die Entfernung ab und berechnete kühl wie bei einer mathematischen Aufgabe die Geschwindigkeit. Noch ein kurzes Zögern, dann trat sie das Gaspedal bis zum Anschlag durch.
Der leichte Sportwagen machte einen Satz vorwärts, die Räder drehten sich durch, der Gummi der Reifen pfiff auf dem Asphalt, dann faßten sie wieder. Das Fahrzeug beschleunigte mit atemberaubender Geschwindigkeit.
Die gelben Warnleuchten flogen Annabel entgegen. Ihre Hände umkrampften das Lenkrad. Dir Fuß lastete auf dem Gaspedal, wich nicht einen Millimeter.
Durch die Windschutzscheibe hielt sie den Blick genau auf die Stelle geheftet, an der der Fußgänger zwischen den Bäumen hervortreten mußte. Nur noch wenige Wagenlängen trennten sie von dem Zusammenprall.
Da – links vor dem Wagen – ein Schatten, eine buntgekleidete Gestalt, die in vollem Lauf zwischen den Bäumen hervorschoß.
Ein kleiner Junge!
Alles spielte sich in rasender Schnelligkeit ab.
Annabels Mund hatte sich zu einem wilden, triumphierenden Schrei geöffnet. Sie genoß das Böse ihres Handelns! Sie wollte dem Meister beweisen, daß sie seiner würdig war.
Doch dann blieb ihr der Schrei im Hals stecken, als sie erkannte, wen sie überfahren, schwer verletzen, vielleicht sogar töten wollte.
Ein Kind!
In blitzartiger Folge tauchten Bilder vor ihren Augen auf, verschwanden wieder. Sie sah, wie der Kopf des Jungen zu ihr herumruckte, sie sah vor Entsetzen geweitete Augen, die kleinen Hände, die sich abwehrend dem heranbrausenden Auto entgegenstreckten.
Dann sprang sie die Fratze des Satans an. Die rotglühenden Augen flammten wild, das Maul stieß gräßliche Verwünschungen aus.
Und wieder das bleiche Gesicht des Jungen.
Die Reifen des Sportwagens schrien auf, als Annabel Caldwell mit einem übermenschlichen Ruck das Lenkrad nach rechts riß. Der Wagen schleuderte, drehte sich einmal um die Achse, überfuhr den Randstein, schlenkerte zurück auf die Straße.
Keuchend hing das Mädchen über dem Lenkrad. Der
Wagen stand. Er hatte sich wieder in die ursprüngliche Fahrtrichtung zurückgedreht.
Tränen liefen Annabel aus den Augen, Schweiß perlte von ihrer Stirn. Mit zusammengebissenen Zähnen hob sie den Kopf und warf einen Blick in den Rückspiegel.
Dahinten stand der kleine Junge, vor Schreck wie zur Salzsäule erstarrt, noch immer an derselben Stelle am Beginn des Zebrastreifens, vor Angst schlotternd, aber unversehrt.
Ohne sich über ihr Tun Rechenschaft abzulegen, schaltete das Mädchen auf den ersten Gang und fuhr langsam weiter die Allee entlang, während die Tränen ungehemmt aus ihren Augen liefen.
Annabel hatte den Jungen verschont und ihr Gewissen nicht mit einem fürchterlichen Verbrechen belastet. Aber sie wußte, daß sie ihr Leben verwirkt hatte und dem Tod nicht mehr entrinnen konnte . . .
Wie eine selbständige kleine Sonne leuchtete das Licht aus der Pförtnerloge warm und freundlich in das kühle Grau des Morgens. Das College sah um diese frühe Stunde noch unheimlicher und drohender aus als sonst, aber Jane Haskill achtete nicht darauf. Sie sah nur den gelblichen Lichtschimmer, der auf die Anwesenheit eines Menschen hindeutete.
Eines Menschen, den sie töten konnte, töten mußte, wenn sie die Prüfung bestehen wollte, durch die sie endgültig in den Kreis der Satansdienerinnen aufgenommen wurde.
Vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend, bemühte sie sich, kein Geräusch auf dem lockeren Kies zu verursachen, mit dem die Auffahrt zum College bestreut war. Obwohl sie wußte, daß der Satan ihr bei der Ausführung ihres Verbrechens beistehen würde, überschätzte sie nicht ihre Kräfte. Sie hatte den alten Mann tags zuvor flüchtig gesehen, der am Tor Dienst versah. Er würde ihr nicht viele Schwierigkeiten machen. Aber es war ja auch möglich, daß er während der Nachtstunden von einem jüngeren, kräftigeren Kollegen vertreten wurde. Und dann war es besser, wenn sie überraschend angriff.
Zehn Schritte noch,
Weitere Kostenlose Bücher