Zum Nachtisch wilde Früchte
und es bemerken mußte.
In der Friedhofskapelle fand die letzte Trauerfeier statt. Petra Erlanger saß tief verschleiert neben Boltenstern, der tröstend ihre weiße, kalte Hand hielt. Rechts von ihr saß Jutta und weinte leise in ein zerknülltes Taschentuch.
Der Pfarrer sprach. Kurz, sachlich, ein erfolgreiches Leben aufrollend und es Gott empfehlend. Er segnete den hellen Eichensarg, drückte der Witwe und auch Boltenstern, wie zur Familie gehörend, die Hand und setzte sich neben Jutta.
Dann sprach Major a.D. Konrad Ritter.
Eine große Stunde begann. Wie eine Fanfare war seine Stimme, mit kurzen, knappen, hellen Tönen, als stände er vor seinem Bataillon und verlese einen Tagesbefehl.
»Kamerad Erlanger, du warst uns Vorbild!« sagte Ritter zum Abschluß. »Als Soldat, als Kamerad, als Mensch … an der Front, in sowjetischer Gefangenschaft, in den bitteren Jahren deutscher Nachkriegserniedrigung und im Glanz eines neuen blühenden Vaterlandes! Sieh aus dem Himmel auf dein Deutschland hinab! Es vergißt dich nicht!«
Dann spielte ein Organist den Trauermarsch aus ›Götterdämmerung‹ von Wagner und – als die Trauergäste sich vor der Kapelle zum Trauerzug aufstellten und sich die Ehrenformationen der Vereine und Verbände formierten, der Sarg von sechs Schützenbrüdern in grünen Uniformen vom Katafalk gehoben und an der Witwe vorbeigetragen wurde – den ›Walkürenritt‹ aus der Walküre.
Am offenen, mit Tannengrün ausgeschlagenen Grab, war kaum noch Platz für Petra Erlanger, Boltenstern, Jutta und Konrad Ritter und die Direktoren der Wollhagen-Werke. Ein Wald von Fahnen ragte in den sonnigen Maitag, Uniformen belebten das schwarze Bild der Trauernden, am Grabe standen sich sieben Gewehrträger gegenüber … sieben von der Schützengilde, sieben vom BUND DEUTSCHER DIVISIONEN.
Wegen dieser vierzehn Mann hatte es vor dem Begräbnis noch einen häßlichen Streit gegeben. Jeder wollte für sich allein einen Abschiedssalut schießen, aber das erwies sich als zu lang und zu unschön, denn zweimal drei Schuß konnte man den Nerven der Witwe nicht zumuten. Nach langem Gespräch, bei dem es heftig zuging, was zu einem deutschen Verständigungsgespräch gehört wie Salz in eine Suppe, einigte man sich, daß Schützengilde-Schießer und BdD-Saluter gemeinsam abdrückten unter dem Kommando des neutralen ehemaligen Leutnants Heinrich Rasselt vom Kegelklub ›Schiefe Klötz‹.
Noch einmal wurden Reden gehalten. Markige Worte mit zackigen Stimmen.
Kamerad, wir werden dich …
Guter Freund, dein Vorbild …
Kegelbruder Richard, wir werden immer in deinem Geist …
Major a.D. Konrad Ritter räusperte sich.
»Ich hatt' einen Kameraden –«
Petra Erlanger tastete nach der Hand Boltensterns. Er beugte sich zu ihr vor. Hinter dem dichten Schleier sah er ihre geröteten, gequälten Augen.
»Ich kann nicht mehr, Alf …«, flüsterte sie. »Führ mich weg … ich kann nicht mehr …«
Boltenstern nickte Konrad Ritter zu, der mit gefalteten Händen sang.
»… im gleichen Schritt und Tritt –«
Ritter nickte zurück. Boltenstern faßte Petra vorsichtig unter und führte sie durch eine sich bildende Gasse vom Grabe weg.
Langsam gingen sie zum Ausgang des Friedhofes. Petra lehnte sich beim Gehen an die Schulter Boltensterns, und er stützte sie und streichelte dabei ihre Schulter.
Abseits der geballten Trauergemeinde, an einem hohen Grabstein lehnend, stand Werner Ritter und beobachtete das Begräbnis. Petra Erlanger und Boltenstern gingen an ihm vorbei, ohne ihn zu bemerken; aber er bemerkte das Streicheln von Boltensterns tröstender, stützender Hand und die scheue Zärtlichkeit, mit der sich Petra trotz allen Witwenschmerzes an Boltensterns Schulter lehnte.
Am Grab erschallten die Salutschüsse der vierzehn vereinigten Schützen. Die Gemeinsamkeit klappte nicht recht … zwei schossen nach. Es war später nicht feststellbar, wer die beiden waren. Auf keinen Fall jemand vom BUND DEUTSCHER DIVISIONEN!
»Was nun?« fragte Petra Erlanger, als sie das Tor erreicht hatten. Sie sahen nicht, daß Werner Ritter ihnen gefolgt war. Sie sahen sich nicht um.
»Das ist keine Frage, Petra«, sagte Boltenstern fest und führte ihre Hand in den langen schwarzen Seidenhandschuhen an seine Lippen. »Das Leben geht weiter …«
Zwei Tage nach dem Begräbnis, von dem sogar die Tagespresse Bilder brachte und ein linksintellektuelles Blatt – wie konnte es auch anders sein! – einen bissigen Kommentar zu der Rede
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