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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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tolpatschigen Vater, der sich die Schlipsknoten binden ließ und der nur ein Brot aß, wenn es von Jutta geschmiert war.
    »Mein Vater könnte am Eisschrank verhungern«, sagte Jutta einmal von ihm. »Wenn ich ihm nichts zu essen mache, sitzt er rum wie ein ausgestoßenes Kind.«
    Boltenstern ließ seine Tochter in diesem Glauben. Seine Liebe zu ihr war geradezu fanatisch. »Einen Schwiegersohn?« rief er, als Jutta ihm berichtete, sie habe einen jungen Mann kennengelernt, der ihr sehr gefalle. »Mein Kind … der Schwiegersohn, der vor mir bestehen will, muß von Gott extra geschaffen werden! So etwas von Mann gibt es noch gar nicht!«
    Der Schlipsknoten war gebunden. Boltenstern drehte sich im Spiegel herum.
    »Vollendet!« sagte er. »Was wäre ich ohne dich, Schätzchen?«
    »Warum immer freitags?« wiederholte Jutta ihre Frage.
    »So eine Frage sollte eine Journalistin und angehende Weltreporterin nicht stellen!« Boltenstern kämmte sich die melierten Haare. »Geschäfte werden von Montag bis Freitag gemacht. Dann ist Schluß! Am Wochenende gehört Papi der Familie …«
    Er lachte, aber er fand mit seinem faden Witz keine Gegenliebe. Jutta bürstete ihm Haare von der Schulter und vom Revers und schüttelte den Kopf.
    »Morgen bist du wieder groggy und hast einen Affen!«
    »Wie redest du mit deinem Vater, du kleine Kratzbürste!«
    »Ist Onkel Richard auch da?«
    »Ich glaube.« Boltenstern strich sich mit dem Zeigefinger über die Nase. Er tat das immer, wenn er nachdachte. »Es geht ja um so ein dummes Patent, das man von mir kopiert hat.«
    »Und wann kommst du wieder nach Hause?«
    »So früh wie möglich, mein Schätzchen!« Boltenstern dehnte sich, als habe er lange gesessen und müsse die Muskeln bewegen. »So eine Konferenz ist immer zum Kotzen, Kleines. Stinklangweilig. Man ödet sich an, klopft Sprüche, ist höflich gerade zu denen, die man am liebsten ohrfeigen möchte … ich bin früh wieder da. Aber du brauchst nicht aufzubleiben, Spätzchen, und zu warten …«
    Er verließ das Schlafzimmer, ging hinüber in sein Büro und schloß die Schreibtischschublade auf, nachdem er hinter sich die Tür verriegelt hatte.
    Aus einem Kästchen nahm er etwas heraus und steckte es zwischen zwei Plastikblätter in seine Brieftasche.
    Wie einige Blätter Löschpapier sah es aus.
    Weißes Löschpapier.
    »Wieviel Uhr haben wir?« schrie Hermann Schreibert durchs Atelier.
    Er kniete vor einem schlanken, hochbeinigen Mädchen, das nur mit BH und Höschen bekleidet war, und drapierte auf den nackten Körper einen schweren Seidenstoff. Ein Abendkleid sollte es werden, die Zeichnungen dazu lagen um ihn herum auf der Erde, aber Schreibert hielt mehr davon, den Stoff am lebenden Modell zu probieren und zu gestalten, als sich auf eine Zeichnung zu verlassen, wo alles so saß, wie es sitzen mußte. Ein menschlicher Körper aber ist ein sich ständig verändernder Gegenstand … jeder Schritt, jede Armbewegung, jede Drehung, jedes Bücken verändert die Proportionen und Formen.
    Der Erfolg hatte Schreibert recht gegeben. Seine Modeschöpfungen erregten sogar die Hochburg Paris. Um sich nicht Konkurrenz zu machen, hatte er mit drei großen Modehäusern an der Seine Austauschverträge abgeschlossen. Seitdem lebte Schreibert wie ein Fürst und hielt sich eine Geliebte. Madeleine Saché hieß sie, war rotgold gefärbt und wurde in Schreiberts Betrieb eingegliedert als Star-Mannequin.
    »Was er anfaßt – alles muß ihm gelingen!« sagte man von Hermann Schreibert. »Selbst aus den Stoffabfällen macht er noch Kleider im Pop-art-Stil!«
    »Wieviel Uhr?« schrie Schreibert wieder und riß den Stoff von dem halbnackten Mädchen. Die Hüfte saß nicht, es war zum Kotzen.
    »Gleich halb acht!« rief Madeleine, die Rote, zurück. »Warum?«
    »Himmel, Arsch und Zwirn!« Schreibert warf den wertvollen Stoff in die Ecke. »Schluß, Mädchen! Morgen weiter! Schon halb acht! Ich kann mich nicht mehr umziehen.«
    »Wozu?« Madeleine kam in den Probierraum des Ateliers und setzte sich auf einen Barockstuhl. »Wo willst du denn hin?«
    »Sitzung des Vorstandes deutscher Textilhersteller.« Schreibert zog seine Jacke an und starrte in den großen Spiegel, der fast die ganze Rückwand einnahm. »Wie sehe ich denn aus! Nicht mal rasiert bin ich! Los, los, den Elektrorasierer! Ich kann doch nicht wie ein Zigeuner bei der Sitzung aufkreuzen.«
    »Das scheint mir eine merkwürdige Sitzung zu sein!« Madeleine Saché wölbte die Unterlippe vor.

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