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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verloschen. »Ich werde der Polizei alles erzählen«, sagte er leise. »Alles!«
    »Und warum?«
    »Um wenigstens meinen inneren Frieden zu haben. Ich habe kein Gesicht mehr, ich soll Richard, meinen besten Freund, erdrosselt haben, um mich ist eine ganze Welt zusammengebrochen, und in dieser neuen Welt hüpfe ich herum wie ein Gnom, mit einem Kopf wie eine verkrüppelte Wurzel …«
    »Hermann«, sagte Boltenstern ehrlich erschüttert. »In einem, spätestens aber im übernächsten Jahr wird man nichts mehr von deinen Verletzungen sehen. Ich habe mit dem Chefarzt gesprochen … es gibt da Spezialkliniken. In Bayern, bei Oberstdorf. Und wenn es ganz schwierige Operationen werden sollen, fliegen wir nach Amerika.«
    »Und wer soll das alles bezahlen?« Schreiberts Augen blieben geschlossen, aber unter den roten Wimpern sickerte es feucht über die zerstörten Wangen. »Mein Atelier, meine Modelle, meine Entwürfe, mein internationaler Ruf … alles ist vorbei.«
    »Ich sorge für dich, Hermann.« Boltenstern beugte sich über den weinenden Freund. »Du ziehst zu mir, wir fahren zu den besten Gesichtschirurgen, ich werde einen guten Designer in dein Atelier nehmen, der den Betrieb fortführt … du brauchst dir gar keine Sorgen zu machen, Hermann.«
    »Und wovon willst du das bezahlen?« Schreiberts schrecklicher Kopf drehte sich zu Boltenstern. »Alf, wir kennen uns doch alle viel zu gut. Du hast ein gutes Leben, klar – aber es reicht auch gerade für dich …«
    »Es wird sich vieles ändern, Hermann.« Boltenstern lehnte sich zurück. »Du bist der erste, der es erfährt: Petra und ich werden nach Ablauf des Trauerjahres heiraten …«
    Die Augen Schreiberts schwammen, aber trotzdem erkannte man, wie hart plötzlich der Blick war.
    »Aha!« sagte er. »Du und Richards Frau!«
    »Wir kennen uns schon seit elf Jahren … das wißt ihr doch alle!«
    »Ja. Und Richard war damals der Sieger. Warum hast du eigentlich elf Jahre gewartet …?«
    In Boltenstern erstarb in diesem Augenblick alles Mitgefühl. Steif saß er auf dem unbequemen Stuhl und sah Schreibert kalt an. Es war der Blick einer Schlange, die ein sich windendes Kaninchen betrachtet, bevor sie den Giftzahn in das Fell schlägt.
    »Du hast Richard erwürgt«, sagte er frostig.
    »Mit deinem Gift im Körper!«
    »Wer konnte so etwas voraussehen?«
    »Du hast Richard nie leiden mögen, seitdem er Petra geheiratet hatte. Daß er dir deine Patente aufkaufte, daß du praktisch von ihm ernährt wurdest, hast du nie überwunden. Du hast Richard immer um seinen Erfolg beneidet. Wir alle wußten das – aber unter Kameraden spricht man nicht darüber.«
    »Es wäre gut gewesen, wenn auch du jetzt nicht darüber gesprochen hättest«, sagte Boltenstern ernst. »Es sind alles Hirngespinste. Wichtiger ist, ob du den Mund hältst.«
    »Was macht Toni?«
    »Er schweigt wie ein Fisch. Er hat nie von LSD gehört.«
    »Und die Mädchen?«
    »Toni hat nie Mädchen besorgt. Jeder von uns hat seine Gespielin mitgebracht.«
    »Das bestätigt Toni auch?«
    »Natürlich.«
    »Und wenn ich die volle Wahrheit sage … von deinem LSD, von den Dortmunder Mädchen …«
    »Man wird dir nicht glauben, Hermann.«
    »In meinem Körper wird man das LSD feststellen können.«
    »Auch ein Irrtum!« Boltenstern lächelte bitter. »Rückstände des LSD sind nur im Urin feststellbar. Spätestens in zwei Tagen … dann ist alles aus dem Körper hinausgeschwemmt. LSD ist zu späteren Zeitpunkten nicht mehr vorhanden.«
    »Das alles wußtest du.«
    »Ich habe mich hinterher erkundigt. Nachdem ich die Wirkung gesehen habe, die es bei dir hatte! Eine mörderische Wirkung –«
    Und jetzt traf dieses Wort wieder. Jetzt war der seelische Tiefstand überwunden … Schreibert hatte die Erkenntnis gewonnen, daß Klagen und Toben sinnlos waren, daß er mit dem Gesicht weiterleben mußte, das er jetzt besaß. Ein Gesicht ohne Menschlichkeit.
    »Du wirst mich zeit deines Lebens auf dem Hals haben, Alf«, sagte er leise. »Du wirst mich durch dein Leben mitschleppen müssen wie einen auf deinem Rücken festgewachsenen Rucksack. Ich habe dich in der Hand!«
    »Ich weiß es, Hermann.« Boltenstern erhob sich. »In ein paar Wochen wirst du das alles anders sehen. Du bist erregt, du bist völlig am Ende mit deinen Nerven. In ein paar Wochen wird es keine Schuldfrage mehr geben … wir haben alle dieses LSD genommen, jeder hat so reagiert, wie es in seinem Charakter liegt, du selbst warst der erste, der dem

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