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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und Kiefernwäldchen einschmiegenden kleinen Orten und Bauernschaften, ein ruhiges, sonnenreiches, gesundes Land, durchschnitten von der Autobahn, aber in seiner Stille ein Fleck der Erholung. Niemand denkt hier daran, daß unmittelbar hinter dieser bäuerlichen Beschaulichkeit eine Großstadt Geld ausschwitzt, die Schornsteine der chemischen Werke schwefelgelbe Wolken erzeugen und nördlich das Ruhrgebiet beginnt, der deutsche Kohlenpott, die Dunstglocke einer Industrielandschaft.
    Hier, in dieser Oase der Stille, der grünen Hügel und verträumten Wäldchen, spielt sich ein großer Teil des gesellschaftlichen Lebens der Geldaristokratie ab. Hier liegen die Tennisplätze mit den feudalen Klubhäusern, hier dehnen sich weite Rasenflächen, gepflegt wie ein sanftgrüner Teppich, nur ab und zu betupft mit ein paar einsamen Gestalten, die Schläger schwingen und dann mit einem Köcherträger weitergehen und einen kleinen, weißen, harten Ball suchen. Golf. Das sportliche Vergnügen des kleinen Kreises, der bestimmt, welche Aktien an den Börsen gehandelt werden.
    Und die Reitställe sind hier. Gepflegte, edle Hannoveraner oder gar Trakehner stehen hier, umsorgt von Stallmeistern und Pferdeknechten. Samstags und sonntags, aber auch an den schönen Wochentagen sieht man sie dann durch die hügelige Landschaft reiten … zu zweien, in kleinen Gruppen, nie mehr … nur wenn es eine Schnitzeljagd gibt oder ein Fuchshetzen und hinterher einen Reiterball, der zum Heiratsmarkt der Industrietöchter wird, ballen sich die Reiter zusammen, in schwarzen Hosen, roten Röcken und schwarzen Kappen, Amazonen und junge Helden, auch wenn ihnen die weißen Haare unter der Kappe flattern. Das Glück der Erde auf dem Rücken der Pferde – sie haben es erreicht. Und die Wirtschaftskrise ist weit weg, nur aktuell für die Arbeiter, die man leider in Gruppen entlassen muß … und die Worte von Sparsamkeit und Beschneidung, von Konjunkturbremsung und Übersteigerung des Wohlstandes – das sind Worte für das Volk.
    Boltenstern hatte seinen Vorschlag in die Tat umgesetzt. Jeden Tag holte er Petra Erlanger ab und fuhr mit ihr zum Reitstall des Hauptmanns a.D. Müllenberg. Dort hatten Erlanger und Boltenstern ihre Pferde in Pflege, während Huilsmann und Schreibert den Nebenstall ›Haus Haberkampp‹ bevorzugten. ›Haus Haberkampp‹ war bekannt für freie Sitten, und wer dort ritt, gab sich mit dem Schenkeldruck auf einem Pferd nicht zufrieden. Ein Reiterfest bei Haberkampp endete immer erst beim Morgengrauen.
    Es war ein schöner, warmer Junitag, als Boltenstern und Petra Erlanger ausritten. In der Reithalle trafen sie Jutta an, und sowohl Boltenstern wie auch Jutta waren sehr verlegen, als sie sich begegneten.
    »Du, Paps?« sagte Jutta. »Um diese Zeit?«
    »Die Frage muß ich dir zurückgeben, Spätzchen! Ich denke, du bist in der Redaktion oder auf der Jagd nach Sensationen?«
    »Ich habe heute vormittag frei, Paps!«
    »Aha! Und das erfährt man so durch Zufall!«
    Damit war das Gespräch auch schon beendet. Jutta begrüßte Petra Erlanger und bewunderte den Sitz ihres Reitkostüms, die schlanken, langen Beine und die golden glitzernden, blonden Haare, die in raffiniert einfachen Wellen das schmale Gesicht umflossen und fast bis auf den Kragen der weißen Reitbluse reichten.
    »Sie ist eine schöne Frau, Paps«, sagte Jutta leise, als Petra zu ihrem Pferd gerufen wurde, das Hauptmann a.D. Müllenberg selbst gesattelt hatte und nun aus dem Stall führte. Ein wertvolles hellbraunes Pferd mit dem schlanken Kopf, der arabisches Blut verriet. »Aber kalt!«
    »Was verstehst denn du davon, du Kröte?« sagte Boltenstern und kniff seine Tochter in das Gesäß.
    »Ich bin auch eine Frau, Paps.«
    »Ein kleines Gör bist du!«
    »Sie hat sich sehr verändert. Früher, als wir sie noch Tante Petra nannten, war sie anders. Fröhlicher und nicht so samtweich und doch statuarisch.«
    »Der Tod von Onkel Richard hat sie sehr mitgenommen.« Boltenstern sah hinüber, wo Petra Erlanger aufsaß. Ein schönes Bild war es, ein Gemälde von Sicherheit und Reichtum. Ein edles Pferd, eine edle Frau … Alf Boltenstern atmete tief auf. »Willst du mit uns reiten, Fratz?«
    »Wenn ich euch nicht störe, Paps.«
    »Eins hinter die Ohren bekommst du gleich.« Boltenstern zog seine Tochter an den kurzen, rotbraunen Haaren und lachte jungenhaft. Er kam sich jung vor, jünger noch als vor 11 Jahren, als er bei Petra Wollhagen vor Richard Erlanger unterlegen war,

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