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Zum Tee in Kaschmir

Titel: Zum Tee in Kaschmir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nazneen Sheikh
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besondere Stimmung zu schaffen. Die strenge Formalität des Esstischs zu Hause wurde aufgegeben, als wir uns, umgeben von Wiesen und wilden Blumen auf Kissen und alten, ausgeblichenen Teppichen niederließen. Was man aß und vor allem, wie groß die Portion ausfiel, war nicht länger zwingend vorgeschrieben. Selbst meine Mutter wurde ein wenig zur Zigeunerin, wenn ihre seidene Kleidung im Wind flatterte und sich ein paar Haarsträhnen aus ihrem eleganten Knoten lösten. Zuzusehen, wie sie sich verwandelte, war das reinste Vergnügen, das durch die Speisen noch gesteigert wurde.
    Einmal, als ich zehn Jahre alt war, bereitete meine Mutter bei einem Picknick auf einem Kohlebecken ein kompliziertes Gericht zu: Geschichtete Parathas, das sind mit Rinderhackfleisch, Zwiebeln, Tomaten, grünen Chilischoten und Koriandersamen gefüllte Getreidefladen, die auf einem flachen, eisernen Tawa in reiner Ghee gebraten werden. Den Teig hatte sie schon zu Hause vorbereitet und zu kleinen Bällchen geformt. Jetzt saß sie im Gras und rollte mit einem Nudelholz auf einem Holzbrett kreisrunde Fladen aus. Ihr Helfer fächelte währenddessen der Glut im Kohlebecken Luft zu, damit es sich gleichmäßig erhitzte. Ich sah voller Ehrfurcht zu, wie meine Mutter die Hackfleischmischung auf die jetzt beinahe durchsichtigen Teigfladen gab und dann mit einer weiteren dünnen Schicht Teig bedeckte, ohne das zarte Paratha dabei zu beschädigen. Die Füllung blieb auf diese Weise saftig, während sie zwischen den Teigschichten garte, wobei der Teig selbst zu einer Art goldenem Bisquit aufging. Zu diesem Gericht wurde eine Raita-Soße mit Gurken und Joghurt gereicht.
    Die absolute Meisterleistung dieses Picknicks bestand jedoch zweifellos im Rettich-Paratha, das zu essen ich mich bisher immer standhaft geweigert hatte, weil ich den scharfen Rettichgeschmack nicht mochte. Meine Mutter, die der Ansicht war, dass man alles wenigstens einmal probieren sollte, überzeugte mich schließlich damit, dass sie ein Miniatur-Paratha zubereitete, dessen oberste Schicht meine Initialen zierte. Dieses Paratha sei allein für mich bestimmt, erklärte sie, und niemand anderes dürfe es essen. Diese schmackhafte Exklusivität schmeichelte meiner jugendlichen Eitelkeit derart, dass ich das Paratha tatsächlich aß. Es gehört bis heute zu meinen Lieblingsparathas. Essen ist immer auch ein Abenteuer, das war die Botschaft, die mir meine Mutter vermittelte. Seine Präsentation kann ansprechend und verführerisch sein. Zwei Jahrzehnte später wiederholte ich diese Szene in meiner kanadischen Küche, indem ich die Initialen meiner eigenen Töchter in zwei Miniatur-Parathas schnitt.

    Im Hause meiner Eltern bestand eine typische Hauptmahlzeit aus einem Gericht mit Fleisch, Fisch oder Geflügel, dazu mindestens zwei Sorten Gemüse und ein Salat mit Joghurt und Chutney. Meine Eltern hatten eine besondere Vorliebe für exotisches Gemüse, und so kamen in regelmäßigen Abständen seltsam geformte Wurzelgemüse, bittere Kürbisse und Bohnen mit ungewöhnlicher Farbe auf den Tisch. Die begeisterte Reaktion meiner Eltern war für mich dabei immer ein Rätsel. Sie erzählten jedes Mal die Geschichte des Gemüses und begrüßten dessen saisonbedingtes Auftauchen wie ein Wunder. Wie viele andere Kinder hegte ich gegenüber Gemüse mit ungewöhnlicher Konsistenz oder fremdartigem Geschmack einen gewissen Argwohn. Die eiserne Regel, die bei uns am Tisch galt, lautete jedoch, dass alles zuerst einmal probiert werden musste, bevor man seiner Vorliebe oder Abneigung Ausdruck verlieh.
    Ein Gemüse, das ich definitiv nicht mochte, war Okra, eine Schote, die voller Samen ist und eine feine, gallertartige innere Membran besitzt. Obwohl das klebrige Innere durch den Kochvorgang zum Teil aufgelöst wird, vermied ich es möglichst, sie zu essen. Dies galt jedoch nur bis zu dem Tag, an dem meine Mutter Okraschoten in eine Köstlichkeit verwandelte, indem sie sie mit Granatapfelpaste füllte.
    Der Granatapfelbaum wächst in Zentralasien, in Persien und im Mittelmeerraum. In der Mythologie der Hindus gilt er als Baum der Erkenntnis. In der griechischen Mythologie verlor die Göttin Demeter ihre Tochter Persephone an Hades, den Gott der Unterwelt, weil sie einen einzigen Granatapfelkern aß.
    Auf vielen Gemälden der Mogulzeit sind Männer und Frauen zu sehen, die die

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