Zum Tee in Kaschmir
Da ich recht ungeduldig war, duschte ich oft eiskalt, damit ich mich noch vor meiner Schwester Mahjabin anziehen konnte, deren allmorgendlicher Aufenthalt im Badezimmer der ausgedehnten Toilette einer Mogulkurtisane durchaus Konkurrenz hätte machen können.
Die höhlenartige Küche war sehr schlicht eingerichtet. Zum Kochen wurden die Ton- und Kupfertöpfe verwendet, die in dieser Gegend hergestellt wurden, das Gemüse wurde in groÃen Strohkörben aufbewahrt. In einer Ecke des Raumes stand der hamam , eine bauchige Apparatur aus Messing, ungefähr einen Meter hoch, die zum Erhitzen von Wasser diente. Der hamam besitzt, ähnlich wie ein Samowar, eine Kammer, in die man Kohlen und Holz einfüllt. Auf der Vorderseite befinden sich zwei Hähne, die kochendes Wasser spenden. Der hamam war während unserer Aufenthalte den ganzen Vormittag und dann wieder am Abend in Betrieb, denn meine Mutter war auch in dieser ländlichen Umgebung nicht bereit, auf die Dinge zu verzichten, die ihr wichtig waren.
Jeden Sommer kam eine ganze Schar von Tanten und Onkeln mütterlicherseits mit ihren Kindern zu Besuch. Dann wurde die breite Veranda des Hauses jedes Mal zum Schauplatz regelrechter Schachturniere zwischen meinem Vater und den Ehemännern meiner Tanten. Mein Vater sah seine Siege dabei als durchaus angemessenes Mittel an, um dem Ego seiner Gegner einen Dämpfer zu verpassen. Einige dieser Spiele dauerten den ganzen Tag und wurden nur durch Essens- und Teepausen unterbrochen. In diesen Pausen wurden in aller Regel selbst gemachte Limonade und Fruchtsorbets in Bechern aus dickem Flaschenglas und auf handgewebten Baumwolltischtüchern mit bunten Mustern serviert. Die Servierschüsseln, Platten, Tassen und Untertassen aus der Gujrat Keramikfabrik, die meine Mutter gekauft hatte, waren doppelt so groà wie jene zu Hause, denn sie war der Meinung, dass die frische Bergluft Appetit machte, und man den vielen Gästen die groÃen Mengen an Speisen viel besser auf diesem doch sehr ausgefallenen Geschirr servieren sollte.
Manchmal fragte mein Vater meine Mutter, ob sie in Erwägung ziehe, für diese Familienzusammenkünfte ihr berühmtes Biryani zu machen, aber sie verneinte diese Frage jedes Mal, denn dies war ihrer Meinung nach ein Gericht, für dessen Zubereitung man unbedingt Zeit und Ruhe brauchte. Sie war sich auch sicher, dass die im Hause anwesenden Kinder noch zu jung seien, um dieses Gericht hinreichend zu würdigen, was ihm in meinen Augen eine nur noch geheimnisvollere Aura verlieh. Trotz all unserer Bitten machte sie in unserem Sommerhaus in den Bergen niemals Biryani.
Mein Vater kam jeden Sommer nur für ein paar Wochen zu uns, da sein Urlaub nicht so lang dauerte wie unsere Schulferien. Seine Ankunft war stets mit groÃer Aufregung verbunden. Als leidenschaftlicher Historiker erzählte er Anekdoten aus alter Zeit, während wir durch die Berge fuhren oder wanderten. Es gelang ihm manchmal sogar, die strikten Ernährungsregeln und sorgfältig geplanten Menüs meiner Mutter auf den Kopf zu stellen.
Hin und wieder unternahm mein Vater am Vormittag eine Spritztour zum inneren Bazar der Stadt, dies einfach nur, um sich mit den dortigen Ladenbesitzern und StraÃenverkäufern zu unterhalten. Er kam dann stets mit SüÃigkeiten zurück, über die meine Mutter jedes Mal die Stirn runzelte, oder mit kratzigen Wollmützen, die keinem von uns passten. Er verwöhnte sich auch gern damit, dass er den Barbier des Ortes ins Haus kommen und sich von ihm drauÃen im Garten rasieren lieÃ. Ich beobachtete dieses Ritual jedes Mal mit Schrecken, denn für mich hatte der grimmig aussehende Mann, der sich drohend über das eingeseifte Gesicht meines Vaters beugte, das Aussehen eines Banditen. Mein Vater wusste jedoch auch, dass der Barbier nebenbei als Fischhändler arbeitete und deshalb immer bestens informiert war, wenn frische Forellen aus dem Kaghan-Tal eintrafen. Forellen, in weiÃer, ungesalzener Butter gebraten, die aus der Militärmolkerei in der Stadt kam, war ein Gericht, das nur meine Mutter zubereitete. Es war dies ein einzigartiger Hochgenuss des Sommers, der jedes Mal vollkommen unerwartet eintraf, manchmal sogar mitten in der Nacht, da man auf den gewundenen StraÃen im Tal oft nur sehr langsam vorankam.
Meine Mutter war auch die Letzte, die davon erfuhr, wenn mein Vater eine seiner nicht seltenen Einladungen an die halbe
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