Zum Tee in Kaschmir
Eis gefüllten Topf und schüttelte diesen so lange, bis das Kulfi die Festigkeit von Eiscreme angenommen hatte.
Nach dem Essen verkündete Tante Akhtar, dass sie für uns auch noch einen Ausflug geplant hatte. Wir würden mit den Chauffeuren der Familie zum Ufer des Flusses Harro fahren, der ein Nebenfluss des Indus war. Dort verbrachten wir den gröÃten Teil des Nachmittags und des frühen Abends damit, auf den Sandbänken zu spielen und im seichten Wasser herumzuwaten. Da es in unserer Gruppe mehr Jungen als Mädchen gab, schlugen wir mehrere heldenhafte Schlachten. Die im Wasser liegenden groÃen Findlinge waren in unserem Spiel dabei Stützpunkte. Einen der Findlinge, der ein Stück von den anderen entfernt aus dem Wasser ragte, hatten mein Bruder und zwei Cousins zu ihrer Festung erkoren. Sie wehrten jeden ab, der hinaufklettern wollte und lieÃen sich auch nicht von dem Felsbrocken herunterziehen. Sie verteidigten ihre Stellung unter anderem dadurch, dass sie uns mit schlammigen Moosklumpen bewarfen. Ein paar andere Jungen begannen daraufhin eine wilde Wasserschlacht, in der Hoffnung, dass die drei irgendwann freiwillig von ihrem Felsen herunterkommen würden.
Plötzlich sahen unsere Chauffeure, die uns vom Ufer aus zusahen, dass eine groÃe Welle auf uns zugerollt kam. Sie riefen uns zu, dass wir sofort aus dem Wasser kommen sollten. Wir konnten jedoch nicht verstehen, was sie riefen und ignorierten sie deshalb einfach. Erst als wir den Wellenkamm selbst sahen, der sich schnell auf uns zubewegte, stürzten wir alle entsetzt ans sichere Ufer. Noch während wir zu den Autos rannten, wurde uns klar, dass wir, wenn unsere Eltern erfuhren, dass wir die Rufe der Fahrer missachtet hatten, niemals wieder im Fluss baden dürften. Also griffen wir zu einem Trick und verpflichten die beiden Chauffeure mit besonderer Hilfe unserer hübschesten Cousine, die so viele Tränen vergoss, dass ihre wunderschönen Augen ganz rot wurden, zur Verschwiegenheit. Nach dem überstandenen Schrecken machten wir nicht einmal mehr am StraÃenrand Halt, um, wie ursprünglich vorgesehen, Chaat, einen köstlichen Imbiss aus Kichererbsen und Kartoffeln mit TamarindensoÃe und einer Garnierung aus Zwiebeln und Koriander, zu essen.
Als wir zum Haus meines Onkels kamen und den Innenhof betraten, stellten wir fest, dass die helle Aufregung, die hier aufgrund der Vorbereitungen für das besondere Abendessen herrschte, die Aufregung am Fluss bei Weitem übertraf. Alle Ohren hatten sich jetzt dem Lärm zugewandt, der aus dem Vorratskeller drang. Dort unten lagerten viele Säcke mit Basmatireis, Mehl und Linsen, Gläser mit selbst gemachten Essiggurken und Kompott, sowie exotische Cashewnüsse, Pinienkerne und kostbare Gewürze wie Safran und schwarzer Kreuzkümmel. AuÃerdem stapelten sich in der Vorratskammer ganze Berge leerer Steinguttöpfe. Onkel Bashir, mit einem seiner allgegenwärtigen Notizbücher bewaffnet, führte offensichtlich gerade eine Inventur durch und hatte dabei entdeckt, dass die Säcke mit dem erstklassigen abgelagerten Basmatireis, der auf dem Grund und Boden der Familie angebaut wurde, verschwunden waren und durch einen Reis von allenfalls mittlerer Qualität ersetzt worden waren. Die donnernde Stimme, mit der er seine Ermittlungen anstellte, hallte durch das ganze Haus. Der duftende Langkornreis, der auf traditionelle Weise gelagert wurde, stellte in jedem kaschmirischen Haushalt die Basis der Vorratshaltung dar. Eben dies war auch der Reis, der zum Abendessen serviert werden sollte.
Während bereits der Duft von Gewürzen durch das Haus zog, wurde die romantische Stimmung durch den Verdacht getrübt, dass der allseits beliebte zweite Koch des Hauses möglicherweise einen dreisten Diebstahl begangen hatte. Falls sich dieser Verdacht bestätigte, würde man ihn sofort entlassen. Onkel Bashir, in mehrere Schals und einen langen, feierlichen Mantel gehüllt, führte den Verdächtigen höchstpersönlich in sein Arbeitszimmer. In der Küche brach unterdessen die Hölle los. Akhtar zerteilte mit energischen Bewegungen die Lammschultern und hielt dabei, während der Diamant in ihrer Nase blitzte, ein temperamentvolles Plädoyer für ihren Koch. Meine Mutter und meine Tanten versuchten sie zu besänftigen, da sie ihren Bruder kannten und wussten, dass jeder Versuch, seine Autorität zu untergraben, nur noch
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